Maria aus Magdala und weibliche Aufbrüche

Das Frauenzentrum des Katholikentages: Frauen zwischen Frust und Befreiung / Besuch aus Fulda / Gegenwind aus Rom / Frauen wollen Priesterinnen werden / Thema Paragraph 218 wird sorgfältig umschifft  ■  Aus Berlin Helga Lukoschat

Zwei Tage dauerte es, bis sich ein Bischof im „Frauenzentrum“ des Berliner Katholikentages blicken ließ. Ausgerechnet Johannes Dyba aus Fulda, erzkonservativer Kirchenfürst und der entschlossenste aller klerikalen Abtreibungsgegner, wagte sich zuerst in die Höhle der Löwinnen, die Halle 17 des Messezentrums. Doch Dybas Mut reichte nicht weit: Sein Besuch galt dem Stand der Pfarrhaushälterinnen, relativ sicherem Terrain im Feindesland. Hätte der Kirchenmann sich länger umgesehen, umgehört - er hätte keinen Gefallen gefunden an seinen christlichen Schwestern. Keine sanftmütigen Dienerinnen meldeten sich hier zu Wort, sondern ungeduldige Frauen, verärgert und frustriert über eine Kirche, in der sie sich längst nicht mehr heimisch fühlen. Sie kritisieren ihre Diskriminierung, sie empfinden die Amtskirche als „kalt“ oder „kleinkariert“. Es sind vor allem die engagierten Frauen, studierte Theologinnen, hauptamtliche Kirchenarbeiterinnen, die ihren Ärger formulieren und auf Abhilfe sinnen.

Aber die Position der Amtskirche ist beinhart. Zulassung der Frauen zum Priesteramt? Auf dem Forum „Aufbruch von Frauen - Hoffnung für Kirche und Gesellschaft“ antwortete Weihbischof Ernst Gutting, bei der deutschen Bischofskonferenz zuständig für Frauenfragen, sinngemäß: Die Frauen sollten sich endlich damit abfinden, daß da nichts läuft.

„Der Wind aus Rom gibt zu verstehen: Frauen sind unerwünscht“, konstatierte nüchtern Herlinde Pissarek, Professorin für katholische Theologie an der Universität Innsbruck. Und für Gertraud Schilling, verantwortliche Projektleiterin des „Frauenzentrums“, ist es „selbstverständlich ein Frust“, daß die fortschrittlichen Tendenzen des Zweiten Vatikanischen Konzils Stück für Stück zurückgenommen werden. Aber für beide Frauen ist klar: Sie bleiben in der Kirche. „Ich kann sie nur von innen, nicht von außen verändern“, erklärt Gertraud Schilling ihre Position. Andere Entscheidungen respektiere sie selbstverständlich. So sei ihr auch der Kontakt zum „Kirchentag von unten“ „sehr wichtig“ gewesen. Immerhin hat das „Frauenzentrum“ als einziges Zentrum des offiziellen Kirchentages das Programm der oppositionellen ChristInnen plakatiert.

Viele Frauen pendeln zwischen den beiden Kirchentagen. Denn das Programm des „Frauenzentrums“ ist vielfältig und attraktiv, über feministische Positionen wie eine „Frauenkriche“ wird hier wie dort diskutiert. Es gibt Tanzmeditationen und feministische Bibellektüre, es gibt Gesprächskreise zu Sextourismus und Frauenhandel, Workshops zu „Maria aus Magdala“. Diese Maria aus Magdala ist eine der Leitfiguren der kritischen Frauen, eine Initiative „Gleichberechtigung für Frauen in der Kirche“ hat sich nach ihr benannt. Maria aus Magdala gilt in neuer Lesart als Jüngerin Jesu; auch fiel ihr die Aufgabe zu, die Auferstehung zu verkündigen. „Es gibt keine durchschlagenden theologischen Gründe für den Ausschluß der Frauen“, erklärte Herlinde Pissarek auf einem Gesprächskreis zu „patriarchalischen Strukturen und Frauenbefreiung“. Für die Karl-Rahner-Schülerin und einstige Assistentin des Reformtheologen ist klar, daß das Geschlecht nicht ausschlaggebend sein kann. „Wenn es diese Rolle spielte, daß Christus ein Mann war, bräuchte man die Frauen ja gar nicht zu taufen!“

Ob die große Mehrzahl der katholischen Frauen das auch so sieht? Immer wieder berichteten Gemeindereferentinnen, daß sich die Frauen vor Ort oft sehr traditionell verhalten, den Aufbruchsversuchen anderer Frauen - sei es auch nur aus Verunsicherung - mit großer Abwehr gegenüberstehen.

Für die Zulassung zum Priesteramt zu kämpfen, erscheint einer Pfarrhaushälterin, Vorsitzende ihrer Berufsgemeinschaft in Köln, so auch als schlichte Energieverschwendung. Da würde sich nichts ändern in der Kirche, und außerdem könnten Frauen ohne „Ämter“, sie zum Beispiel als Pfarrhaushälterin, oft „segensreicher“ wirken. Wieso? Das Amt schaffe Distanz, „aber zu mir kommen die Menschen und erzählen alles“. Aber auch die Pfarrhaushälterinnen, die letzte Bastion, wie man meinen sollte gegen die Anfechtungen der Frauenbefreiung, sind nicht mehr nur bescheiden und duldsam. Sie fordern, ihren Beruf höher zu bewerten und besser zu bezahlen. Bei freier Kost und Logis liegen die Spitzengehälter für einen Job rund um die Uhr bei 700 bis 1.000 DM, manche Bistümer speisen die Frauen gar mit 300 bis 500 DM ab. Dabei ist der allergrößte Teil der Arbeit der Frauen in der Kirche ohnehin unbezahlt: Ehrenamtliche Arbeit, vom Blumenschmuck für den Altar über die Vorbereitung des Gemeindefestes bis zur Betreuung alter und kranker Menschen, das alles leisten keine Männer, sondern fast ausschließlich Frauen. „Wir alle dienen gern, aber am liebsten in führender Stellung“, bringt eine Theologin die Haltung ihrer christlichen Mitstreiter auf den Punkt.

„Diese Halle 17 ist eine Spielwiese, hier dürfen wir alles aussprechen. Aber was passiert in den Gemeinden? Müssen wir nicht über Strategien nachdenken?“, fragte Christel Voß -Goldstein, Bildungsreferentin der katholischen Frauengemeinschaft.

Doch von einem offensiven politischen Auftreten sind viele Frauen noch weit entfernt. So wurde auch das heiße Thema Abtreibung auf dem Frauenzentrum ausgespart und statt dessen in einer anderen Halle dem Primat der LebensschützerInnen überlassen. Dort gab es die Hochglanzfotos von Embryos und Sammelstände für Kinderkleidung und die übliche Propaganda. Den Stand der Gruppe „Für das Leben“ aus Bayern bedachten autonome Frauen zweimal mit Buttersäure und Farbeiern, die ganz große Halle stank süß-säuerlich, die meisten BesucherInnen sind empört über soviel „Aggressivität“. Im Frauenzentrum wird das Thema Paragraph 218 möglichst umschifft. Rita Süssmuth antwortete ausweichend bei einer Podiumsdiskussion über die „Gesellschaft der Zukunft“ auf die Frage einer Frau aus der DDR nach dem Erhalt der Fristenregelung: „Wir suchen in Bonn nach einer Lösung, aber mehr kann ich Ihnen nicht sagen.“ „Wir wollten nicht unvorbereitet in die Diskussion gehen“, sagt Projekleiterin Gertraud Schilling. Aber es sei ganz klar, daß die katholischen Frauenverbände um das Thema 218 „nicht mehr herumkommen“. „Engel fliegen in Spiralen, Teufel fliegen geradeaus“, zitierte eine evangelische Theologin die gemeinsame „Vorschwester“, die Mystikerin Roswitha von Gandersheim. Vielleicht sollten sich die katholischen Frauen bei ihren Aufbrüchen ein wenig mehr teuflische Energie zutrauen.