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Kreuzberg gegen Profite mit Obdachlosen

■ Sozialstadträtin will keinen Mietwucher von Beherbergungsbetrieben mehr dulden / Aktion aller Bezirksämter nötig

Kreuzberg. Das Kreuzberger Sozialamt will bei den üblen Geschäften mit der steigenden Obdachlosenzahl in Zukunft nicht mehr mitspielen: „Ab sofort“, kündigte die Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer gestern an, wird das Sozialamt überhöhte Forderungen von sogenannten Beherbergungsbetrieben nicht mehr zahlen und zwar solange, bis die Betreiber eine angemessene Miete nennen. Tun sie das nicht, sollen sie angezeigt werden und müßten dann mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 D-Mark rechnen. In Einzelfällen sei außerdem abzuwägen, ob das „scharfe Mittel“ der Beschlagnahme angebracht sei.

Die Zahl der Wohnungseigentümer und -mieter, die in ihren Wohnungen „illegale Betriebe“ unterhalten, ist in Berlin laut Junge-Reyer in letzter Zeit erheblich gestiegen. Allein in Kreuzberg würden von den bisher überprüften 60 Beherbergungsbetrieben die Hälfte illegal geführt. Da aber die bezirklichen Sozialämter gesetzlich dazu verpflichtet sind, Obdachlose unterzubringen, könnten die Betreiber ohne einen Miet- oder Untervermietvertrag zu bieten - einen Tagessatz von beispielsweise 25 D-Mark pro Kopf verlangen. Wird eine vierköpfige Familie in einem zimmer zusammengepfercht, könnten daher „Mieten“ von 3.000 D-Mark pro Zimmer und Monat entstehen. Das starke Anwachsen der Obdachlosenzahlen bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Unterbringung habe die Sozialämter „erpreßbar“ gemacht, heißt es in der Presseerklärung der Kreuzberger Sozialstadträtin. Obwohl Kreuzberg jährlich rund eine Million DM für die Übernahme von Mietrückständen ausgäbe, um so Obdachlosigkeit zu vermeiden, müßte das Sozialamt vor allem Aus- und Übersiedler unterbringen. „Diese Situation wird durch üble Geschäftemacherei ausgenutzt.“

Um dem Wucher Einhalt zu gebieten, fordert Junge-Reyer eine „konzertierte Aktion“ aller Bezirksämter sowie Haushaltsmittel, damit die Sozialämter Wohnungen für Obdachlose direkt anmieten könnten. Die Bezirke dürften „nicht mehr gegeneinander ausgespielt werden und gezwungen sein, sich gegenseitig zu überbieten.“ Die Pressesprecherin der Senatssozialverwaltung, Rita Hermanns, verweist jedoch auf die „Bezirksautonomie“: „Wir können nur Empfehlungen aussprechen, einigen müssen sich die Bezirke untereinander.“ Um Wohnungen beschlagnahmen zu können, müsse ein Notstand nachgewiesen werden - „und das können nur die Bezirke“. Unter der Bedingung aber, daß mit der Unterbringung von Obdachlosen private Profite gemacht werden, sei ihnen eine Empfehlung dazu von seiten der Senatsverwaltung Fall sicher.

Maz

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