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§ 218

Die Entscheidung über den Schwangerschaftsabbruch ist Frauenrecht und muß Grundrecht werden. Die zukünftige Einheit bringt der DDR viele ersehnte Freiheiten; für die Frauen hingegen aber mit der Übernahme unserer § 218 -Regelung eine Knebelung und Einengung ihrer persönlichen Entscheidungsmöglichkeiten, die man nur als Unfreiheit bezeichnen muß.

Hier hatten die Frauen in der DDR - aus welchen Gründen auch immer - mehr Freiheiten als wir. Anstatt „Kinderkriegen“ attraktiver zu machen, - was allein das § 218-Thema entschärfen könnte -, wollen bei uns Staat und Kirche das „Kinder-Nicht-Kriegen“ nach wie vor bestrafen, ohne zur Kenntnis zu nehmen, wie sehr Kinderreiche und Frauen mit Kindern von diesen Institutionen benachteiligt und in Notfällen im Stich gelassen werden.

Frauen mit Kindern finden ebenso wenig Arbeit wie ältere Frauen, deren Kinder erwachsen sind und die erneut ins Arbeitsleben eingegliedert werden wollen.

Ehepaare mit Kindern werden steuerlich im Vergleich zu kinderlosen Ehepaaren und Ledigen viel zu wenig entlastet.

Kinder kosten oft sehr lange viel Geld (Ausbildung und ähnliches).

Eltern können ihr ganzes Leben lang zu Unterhalt des Kindes verpflichtet werden, zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Behinderung und so weiter.

Die Kinderlosen dagegen geben in ihren jungen Jahren viel zu wenig an die Kinderreichen ab, wollen aber im Alter von den Jungen rentenmäßig mitgetragen werden.

Solange Kinder nicht auch Väter haben, die die Verantwortung der Erziehung und die Belastung Haushalt, Beruf, Kind verantwortlich mittragen, muß es selbstverständlich jeder Frau überlassen werden, ob sie ein Leben lang mit einem Kind leben will oder nicht.

Daß Kinder auch Freude bedeuten, weiß jeder und muß nicht besonders erwähnt werden.

Als die drei aussichtslosesten Berufe gelten: „Regieren -Kurieren-Erziehen“ - vom letzteren sind die Mütter betroffen und läßt viele davon schließlich resigniert seufzen: „Entschuldige, daß ich dich geboren habe.“ Das muß erwähnt werden und umgekehrt auch das namenlose Leid der unerwünschten Kinder: Nicht akzeptiert und hilfos zu sein, kann ein grausames und vernichtendes Lebensgefühl sein.

Katharina Ehrlicher für den Berliner Frauenbund 1945 e.V.

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