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Armee und UDA unter einer Decke?

Mitglied der protestantischen Paramilitärs war Informant britischer Armee / Die wußte dann von Attentaten  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Hat die britische Armee in Nordirland jahrelang Mordanschläge paramilitärischer Organisationen gedeckt? Indizien und Zeugenaussagen sprechen dafür. Der 42jährige Brian Nelson, ein hochrangiges Mitglied der „Ulster Defence Association (UDA)“ und ehemaliger Soldat, hat erklärt, daß er als Informant für die Armee gearbeitet habe. Die UDA ist die größte paramilitärische Organisation der Protestanten. Auf ihr Konto gehen Hunderte von Morden an Katholiken. Dennoch ist die UDA immer noch legal, weil sie mit den fast ausschließlich protestantischen „Sicherheitskräften“ eng verwoben ist. Nelson wurde vergangenen Januar im Zuge der Stevens-Untersuchung verhaftet. John Stevens, der stellvertretende Polizeichef von Cambridgeshire, sollte das „Verschwinden“ von über 2.600 geheimen Personalakten „mutmaßlicher IRA-Mitglieder“ aus den Stahlschränken von Armee und Polizei untersuchen. Diese Dokumente tauchten später bei der UDA und anderen protestantischen Paramilitärs wieder auf. Nelsons Job bei der UDA war es, möglichst lückenlose Informationen über potentielle Attentatsopfer zu sammeln. Falls es stimmt, daß er als Informant gearbeitet hat, würde das bedeuten, daß die britische Armee über geplante Mordanschläge im Bilde war und nichts unternommen hat. Dazu gehört auch der Fall des Belfaster Rechtsanwalts und Verteidigers in zahlreichen IRA-Prozessen, Pat Finucane, der im Februar 1989 ermordet worden war.

Nelsons Verhaftung hat bei Polizei und Armee in Nordirland Verärgerung ausgelöst. Der UDA-Mann hat offenbar vor dem Stevens-Untersuchungsteam ausgepackt. Wegen seines hohen Postens in der Organisation könnte er vermutlich die gesamte UDA-Führung hinter Gitter bringen, falls er vor Gericht als Kronzeuge auftritt. Entsprechend nervös waren die Reaktionen: Nelsons Familie wurde bedroht, und ein Verwandter wurde zu entführen versucht. Nelson sitzt zu seiner eigenen Sicherheit in einem unbenutzten Flügel des Belfaster Crumlin-Road-Gefängnisses, seine Familie wurde in „Schutzhaft“ genommen.

Die „Sicherheitskräfte“ haben jedoch nicht nur bei Morden an Katholiken beide Augen zugedrückt, sondern offenbar auch nordirische Polizeibeamte unteren Ranges geopfert, um einen Agenten in der IRA-Spitze zu decken. Das behauptete der britische 'Independent‘ am Wochenende unter Berufung auf polizeiinterne Quellen. Demnach sei das nordirische Terrorismusdezernat über einen IRA-Bombenanschlag auf drei Polizisten im Jahr 1982 informiert gewesen, habe das Attentat aber nicht verhindert, um den Spitzel nicht auffliegen zu lassen.

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