piwik no script img

Getrennt marschieren, vereint diskutieren

Wehrminister Stoltenberg und Eppelmann trafen sich vor den Toren Berlins: Gemeinsame offizielle Kontakte vereinbart / Fahnenappelle, Gelöbnisse, Übungen und Abenteuerspiele werden aber weiterhin getrennt veranstaltet / Differierendes zur Nato-Strategie  ■  Aus Strausberg Walter Süß

Soldaten und Offiziere von Bundeswehr und NVA sollen einander auch persönlich näher kommen, ohne daß dabei die Zugehörigkeit zu gegensätzlichen Bündnissen bereits jetzt gänzlich in Vergessenheit gerät. Das war die Quintessenz einer „Rahmenrichtlinie“, die von den beiden zuständigen Ministern gestern unterzeichnet wurde.

Auf dem weiträumigen Gelände des Ministeriums für Abrüstung und Verteidigung empfing der ehemalige „Friedenspfarrer“ Rainer Eppelmann BRD-Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg. Nach einem ersten Besuch Eppelmanns in Köln -Wahn am 27. April war es das zweite Treffen der doch recht unterschiedlichen Herren. Glaubt man ihrer Schilderung des Gesprächs, so muß es eine rechte Lust gewesen sein, wieder mal miteinander zu reden: „Freundschaftliche und gute Beziehungen“ würden sich da entwickeln und „viele Gemeinsamkeiten“ habe man entdeckt, so Stoltenberg. Nicht anders Eppelmann: „Übereinstimmung in allen wesentlichen Fragen“ sei erzielt worden. Dies gilt wohl vor allem für den anfangs genannten Bereich: Bei Sport, Kultur, gemeinsamen Tagungen und geselligem Beisammensein sollen die Streitkräfte beider Staaten einander näher kommen und sich u.a. über die „Grundsätze der inneren Führung“ verständigen. Für den militärischen Bereich gilt das allerdings ausdrücklich nicht: „Die gegenseitige Teilnahme von einzelnen Soldaten bzw. Von Einheiten und Teileinheiten an Übungen/militärischen Wettkämpfen bzw. am Dienst im Rahmen der Einsatzausbildung ist nicht zulässig.“ Und auch „Paraden, Gelöbnisse, Zapfenstreichen“ müssen noch getrennt erfolgen. Es ist der Versuch, ein Maximum an Annäherung zu erreichen, ohne daß die Bündnispartner den deutschen Part völlig abschreiben und die Absurdität der Fortexistenz insbesondere der NVA nicht zu deutlich wird. Darüber, wie sich „die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen auf dem Weg zur deutschen Einheit“ entwickeln sollen, wurde auch gesprochen. Hier waren sie sich vermutlich nicht so einig wie bei der Organisierung gemeinsamer Tagungen. Zur Frage der Nato-Mitgliedschaft hat Gorbatschow kürzlich das französische Modell - Integration allein in die politische, nicht in die militärische Struktur - in die Debatte gebracht. Stoltenberg begrüßte daran nur den Umstand, daß die Sowjets sich anscheinend an den Gedanken einer Nato -Mitgliedschaft zu gewöhnen zu beginnen. Eppelmann dagegen verwies darauf, daß er selbst schon früher einen ähnlichen Gedanken geäußert hatte. Einig war man sich allerdings darin, so Stoltenberg, „daß die Nato ihre Strukturen und auch ihre Doktrin ändern sollte“. US-Truppen wollen beide Minister auch künftig in Europa sehen, Stoltenberg allerdings offenkundig im Rahmen der Nato, Eppelmann dagegen auf deutschem Boden nur im Zusammenhang einer europäischen Sicherheitsstruktur.

Der Bonner Minister war gerade abgefahren, da wurde sein Gastgeber gefragt, ob er seinen Gast nicht aufgefordert habe, sein Ministerium nach DDR-Vorbild umzubenennen. Hat er, meinte Eppelmann, aber die Antwort sei gewesen, daß „Abrüstung schon seit zweieinhalb Jahrzehnten in der Kompetenz des Auswärtigen Amtes liegt“. Doch er, Eppelmann, sei optimistisch: „Die Zeit arbeitet für uns.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen