In Bereitschaft, zur Hand

■ Liz Kings Tanzabend „Hearts Reason“ in Heidelberg

Die Choreographin Liz King kam von Wien nach Heidelberg und trat die Nachfolge von Johann Kresnik an - verständlich, daß sie in einer der Hochburgen der deutschen Tanzszene von vornherein klar machen wollte, daß sie weder ein „choreographisches Theater“ a la Kresnik im Sinne habe, noch unter dem alles und nichtssagenden Titel „Tanztheater“ zu arbeiten gedenke. Ihrer Tanztruppe gab sie deshalb den schlichten Firmennamen „Heidelberger Ballett“ und versprach Choreographien, in denen der Tanz die zentrale Rolle spielt.

Ein Versprechen, das sie mit ihrem Debüt Gegeneinladung nur teilweise einlöste: Ihre Tanzbilder waren symbolisch überladen (siehe taz vom 3. Februar). Kurz vor der Sommerpause stellte sie jetzt Hearts Reason vor, einen siebenteiligen Tanzabend, in dem Überraschendes passiert: Einer der Tänzer geht ans Klavier, damit die anderen tanzen können. Er spielt ein „Impromptu“ Schuberts, und der Tanz nimmt sich aus wie die Bezeichnung des Klavierstückes - „In Bereitschaft“, „zur Hand“. Die Beziehung zwischen Tanzbewegung und Musik entsteht wie von selbst und mit dem letzten Ton fällt die Eisentür der Bühne hinter den Tänzern zu. Das war's - so einfach, so schwer.

Dann wird es nervöser: Musik von Glenn Branca und Thomas Pernes - und die Tänzer werden der Tonvorlage nur noch zuckend gerecht. Ihre Bewegungen werden wie durch ein zentrales Kraftfeld zusammengehalten und wenn sie an die Peripherie geraten, droht Gefahr - als könnten sie aus der Gravitation entlassen werden. Die Stärke von Liz Kings Choreographie: Die tänzerische Bewegung bleibt auch in der extremen Situation erhalten, energiegeladen und leicht. Es sieht so aus, als habe die Engländerin - die von der Wiener Mentalität schwärmt - ihre Debütverkrampfung überwunden und mit Hearts Reason vorgestellt, wie sie weiterarbeiten wird. Liz Kings Tanzbilder erzählen, ohne daß sie Geschichten hinzuerfinden oder ihre Tänzer unnötig mit Requisiten hantieren müssen. Mit ihren Tanzphantasien dringt sie in Bereiche vor, in denen die Bewegung an den Rand nervös-absurder Befindlichkeiten gerät.

Jürgen Berger