: Beschleunigte Privatisierung
■ Entflechtung der Kombinate soll bis Oktober abgeschlossen sein / Beharren auf Importsteuer
Bonn (dpa) - DDR-Wirtschaftsminister Gerhard Pohl (CDU) hat die schnelle Privatisierung der volkseigenen Betriebe der DDR angekündigt. Bis Oktober müsse die Entflechtung der Kombinate und die Überführung der rund 8.000 VEB in neue Rechtsformen weitgehend abgeschlossen werden, sagte Pohl gestern in Bonn nach Gesprächen mit Bundeswirtschaftsminister Helmut Haussmann (FDP). Bisher sei dies erst bei 170 Betrieben erfolgt. Es werde jetzt „einen wesentlichen Schub in Richtung Privatisierung“ geben.
Um die Maßnahmen zur Strukturanpassung in der DDR auf den Weg zu bringen und einen Mittelstand aufzubauen, sei die Einsetzung von zwei gemeinsamen Expertengruppen der beiden Ministerien vereinbart worden, sagte Pohl. Sie sollen sofort und auch vor Ort in der DDR tätig werden. Haussmann kündigte an, daß die 12prozentige Zulage für Investitionen in der DDR, die vom 1. Juli an gezahlt werden soll, über den 1. Juli 1991 hinaus verlängert werde. Dafür werde der anschließende Zeitraum für die achtprozentige Zulage verkürzt, so daß die Gesamtsumme der Zulagen gleich bleibe.
Beide Wirtschaftsminister beteuerten ihre Absicht, die Zahl der Arbeitslosen in der DDR möglichst klein zu halten. „Es soll im Herbst keine Lehrlings- und Jugendarbeitslosigkeit in der DDR geben“, sagte Haussmann. Pohl rechnet mit rund einer Million Umschulungen noch in diesem Jahr. Haussmann drängte darauf, daß die Ostberliner Treuhandanstalt ihre Arbeit beschleunige und den Prozeß der Privatisierung abkürze. Die für dieses Jahr vorgesehenen sieben Milliarden DM Kredit als Umstrukturierungshilfe für die Kombinate und Betriebe im Bereich der Treuhandanstalt könnten schon im Juni, und nicht erst von Juli an, genutzt werden, sagte Haussman. Damit sollen die Staatsbetriebe so in Schuß gebracht werden, daß sie besser verkauft werden können.
Pohl sagte, man habe eine Gesetzeslösung für die Treuhand gefunden. Sie werde als Anstalt des öffentlichen Rechts direkt dem Ministerpräsidenten unterstellt. Unter ihrem Dach werde es dann viele Aktiengesellschaften geben. Auch Anreize für Investitionen und der Beitrag der Treuhandanstalt zur Deckung des Defizits im DDR-Staatshaushalt würden in dem Gesetz geregelt.
Zur geplanten DDR-Importsteuer sagte Pohl, die Ostberliner Regierung werde dazu ein differenziertes Programm vorlegen. Investitionsgüter seien in jedem Fall ausgenommen. Haussmann sprach von einer „autonomen Entscheidung der DDR“ und wies auf die Umgehungsgefahr durch Direkteinkäufe in West-Berlin hin. Die Importsteuer müsse, wenn sie komme, auf „wenige ausgewählte Konsumgüter strikt beschränkt werden“.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen