: Drohung mit dem Schaumgummiknüppel
■ Landesmedienanstalten fordern Programmbeirat bei SAT.1 / Machtkampf zwischen Kirch und Springer
Nachdem Leo Kirch es geschafft hat, sich 55 Prozent der Geschäftsanteile an SAT 1 unter den Nagel zu reißen, herrscht unter den deutschen Privatfunkkontrolleuren emsige Hektik, um die Meinungsvielfalt zu garantieren. Am Montag und Dienstag dieser Woche tagten in Düsseldorf die Direktoren der Landesmedienanstalten, die Lizenzbehörden für den Kommerzfunk. Ursprünglich wollten sie eigentlich nur verbindliche Regeln für ihre Zusammenarbeit beschließen und sich mit der Rundfunkentwicklung in der DDR befassen. Doch die aktuellen Entwicklungen im Streit um den Mainzer Privatsender dominierten kurzfristig die Tagesordnung.
Der Machtkampf zwischen Kirch und der Gruppe um den Springer-Verlag, der um die Zukunft des Kommerzsenders als Abnudelstätte für Uralt- und Billgserien sowie für Spielfilme oder als ein Programm mit einem Minimum an journalistischem Profil, wie es Springer und die mit ihm verbundenen Zeitungsverleger fordern, schien für die Direktoren der Landesmedienanstalten zugunsten des neuen Mehrheitseigners auszugehen.
In dieser Situation besannen sie sich des Paragraphen 8, Absatz 1 des Länderstaatsvertrages zum kommerziellen Rundfunk. Der sieht vor, daß die Lizenzbehörden den privaten Sendern einen „Programmbeirat“ mit „wirksamem Einfluß“ und „Beratungs-, Feststellungs- und Prüfungsbefugnissen“ oktroyieren können, um die Meinungsvielfalt zu „sichern“.
Einen solchen Programmbeirat, wie er beim erfolgreicheren Konkurrenten RTL schon längst als Alibigremium existiert, und zwar auf freiwilliger Basis, fordern nun die Landesmedienanstalten von SAT 1. Dabei greifen sie auf Vorschläge zurück, die der Kommerzsender selbst schon vorgeschlagen hat, nämlich ein Gremium, in dem bundesweit tätige gesellschaftliche Gruppen repräsentiert sein sollen.
Die Landesmedienanstalten fordern, daß dieser Programmbeirat „ausdrücklich auch die Sicherung der Meinungsfreiheit“ überprüfen solle und schließlich daß die Geschäftsführung von SAT 1 dem Programmbeirat gegenüber auskunftspflichtig ist.
Helmut Haeckel, Präsident der Hamburger Landesmedienanstalt und derzeitiger Sprecher der Mediendirektoren, betonte auf der anschließenden Pressekonferenz, daß natürlich dieser aufgepfropfte Programmbeirat letztlich seine Schranken im Wirtschaftsrecht findet. Die Gestaltungsfreiheit der Gesellschaftsverträge des Privatsenders SAT 1 sind demnach letztlich höher zu bewerten als irgendwelche Beschlüsse eines öffentlich legitimierten Kontrollgremiums. Vor allem hapert es ja an der Bestimmung der Schwelle, wann im Kommerzfunk nun die Meinungsfreiheit eingeschränkt sei. Haeckel: „Wir werden massiv aufpassen, daß wir von keiner der beteiligten Parteien im Streit um SAT 1 auf eine Seite gezogen werden.“
Nun kommt es auf die Umsetzung des Prorammbeirates an, der da wie ein Schaumgummiknüppel als Damoklesschwert über den Geschäften von SAT 1 schwebt. Die Bundesländer Rheinland -Pfalz und Nordrhein-Westfalen sollen nun die Beschlüsse der Landesmediendirektoren umsetzen, der Winzerstaat als der Lizenzgeber für die Satellitenfrequenz von SAT 1 und Nordrhein-Westfalen als das Land, in dem im Juni schon die Lizenzverlängerung für die terrestrische Ausstrahlung ansteht.
„Wir sind in ständigem Kontakt mit SAT 1“, erklärte Sabine Astheimer, Assistentin des nordrheinwestfälischen Medienanstaltschefs Klaus Schütz. Sabine Astheimer ist sicher, daß in der kurzen Zeit bis zum 8.Juni, wenn in Nordrhein-Westfalen eine Entscheidung über die Lizenzverlängerung fallen soll, eine einvernehmliche Regelung über einen Programmbeirat zum zerstrittenen Kommerzfernsehsender erreicht worden ist.
-boff
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