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Moldawien erkennt ein unabhängiges Litauen an

■ Der Oberste Sowjet des an Rumänien grenzenden Teilstaats der UdSSR will eigenständige diplomatische, politische, kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen zu Vilnius / Landsbergis traf Jelzin in Moskau: Wie wird sich die russische Sowjetrepublik entscheiden?

Moskau/Prag (ap/taz) - Der Oberste Sowjet von Moldawien hat die Unabhängigkeit Litauens anerkannt und sich für die Aufnahme diplomatischer, politischer, kultureller und wirtschaftlicher Beziehungen zu Vilnius ausgesprochen. Vorgeschlagen wurde der Austausch ständiger Vertretungen. Gegen die Aufnahme bilateraler Beziehungen sprach sich nur die Gruppe „Sowjetische Moldau“ aus, die hauptsächlich russischsprechende Moldawier vertritt.

Bislang gab es nur informelle Beziehungen zwischen den baltischen Volksfronten und ihrem moldawischen Pendant, so wurde etwa die - damals noch illegal in lateinischem Alphabet geschriebene - Zeitschrift 'Glosut‘ im lettischen Riga gedruckt. Obwohl die sowjetische Verfassung das formal zuläßt, besitzt Moldawien im Gegensatz zu Bjelorussland und der Ukraine bisher kein eigenes Außenministerium. Die diplomatische Aktion des Obersten Moldawischen Sowjet könnte aber der Startschuß für eigenständige außenpolitische Aktionen der westlichen Sowjetrepubliken werden.

Moldawiens Unterstützung für Litauen reflektiert auch das wachsende nationale Selbstbewußtsein der rumänischsprachigen und -stämmigen Bevölkerung. Während die Reformkommunisten unter dem kürzlich zum Präsidenten des Obersten Sowjet gewählten Mircea Snegur für die Souveränität der Republik, aber auch für den Verbleib in einer demokratisch reorganisierten Sowjetunion eintreten, mehren sich in der moldawischen Volksfront die Stimmen, die sich für die Vereinigung mit dem rumänischen Teil des alten Moldauer Fürstentums aussprechen. Der romantische, vom Mythos des „goldenen“ moldawischen Dorfes zehrende Wiedervereinigungswunsch hatte vor wenigen Wochen mit der Überquerung des Grenzflusses Pruth durch 300.000 blumengeschmückte Rumänien-Moldauer seinen ersten medienwirksamen Höhepunkt erfahren.

Neben Moldawien und den demokratisch orientierten Sowjets einer Reihe russischer Großstädte kann Litauen auch auf Unterstützung der Volksfronten in der Ukraine und Weißrußland bauen. Ende April war in der weißrussischen Hauptstadt Minsk eine informelle Abgeordnetengruppe der beiden Sowjetrepubliken und Litauens gebildet worden, um Hilfsaktionen zu koordinieren und den Handel künftig auszudehnen.

Ausschlaggebend wird hier allerdings die Haltung der russischen Föderation unter ihrem neuen Präsidenten Jelzin sein. Dieser hatte frühzeitig und scharf die Blockade gegen Litauen kritisiert, sich aber nach seiner Wahl für die Aussetzung der Unabhängigkeitserklärung ausgesprochen. Litauens Präsident Landsbergis reiste gestern überraschend nach Moskau, um sich mit Jelzin zu treffen. Nach dem Gespräch, das der litauischen Seite zufolge in freundlicher und wohlwollender Atmosphäre stattgefunden habe, sprach Landsbergis davon, daß Jelzin für ein Ende der Blockade eingetreten sei. Weniger zuversichtlich äußerte sich - wie gewöhnlich - der Chef der unabhängigen litauischen Kommunisten und Anti-Blockade-Bevollmächtigte Brasauskas. Es gebe jetzt schon 60.000 Arbeitslose - Folge der zusammenbrechenden Energieversorgung. Brasauskas Anti -Blockade-Kommission verfügt über Informationen, wonach die sowjetische Regierung Maßnahmen treffe, um direkte Kontakte Litauens mit Städten oder Regionen der Sowjetunion zu unterbinden. So sind die Leitungsorgane Leningrads und der Sowjetrepublik Bjelorußland davor gewarnt worden, Brennstoffe nach Vilnius zu liefern. Daß solche Drohungen auch einen für die künftige Existenz der Sowjetunion gefährlichen Effekt haben könnten, war von Landsbergis tags zuvor bei seinem Besuch in Prag hervorgehoben worden. Ein militärisches Eingreifen der Sowjetunion, so erklärte er vor Prager Studenten, würde eine Auflösung der Sowjetunion zur Folge haben.

Christian Semler

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