Die Suche nach dem liebenden Du

■ Katholischer Pfingstgottesdienst aus Bremen im Fernsehen

Trotz verregneter Pfingsten trockenen Fußes in die Kirche zu kommen - das Fernsehen macht auch so was möglich: Ins Sofaeckchen reingedrückt, ganz ohne Aufstehen, Hinsetzen, Weihrauch und Gesangbuch, war ich allein mit mir und dem katholischen Pfingstgottesdienst in Bremen-Grohn, wo Dechant Wolfgang Krzizanowski in prallvoller Kirche katholische Riten via Bildschirm zelebrierte. „Aus allen Völkern, Rassen und Sprachen“ war das pfingstliche Thema, denn in Bremen -Grohn lebt, wie der Kommentator sagt, „eine bunt zusammengesetzte Gemeinde“ aus deutschen, polnischen und syrisch-orthodoxen Christen, deren Sprache das Aramäische ist. „Ein sehr freundliches Fernsehteam hat uns in Verbindung gebracht“, sagt der Dechant, und es bleibt offen, wie das zu verstehen ist: War es der Wunsch von Radio Bremen, für eine Direktübertragung die Kirche so bunt und quellend voll zu kriegen? Oder kam die Gemeinde so zahlreich in die Kirche, weil Kameras und Monitor dem pfingstlichen Geist ein bißchen Beine machten? Egal: Es war sehr prächtig anzusehen, wie hier, im protestantischen Norden, katholisch wechselgebetet, gesungen, mit Glöckchen geläutet und Bibeln herumgetragen wurden. Alles in einer hochmodernen Kirche, die 1987 fertig wurde und über die ein Kunstpädagoge gesagt haben soll: „Der Raum atmet Freiheit und Ruhe.“

Das kriegt man im Fernsehen nicht so richtig mit, und die Kamera schwankt auch etwas ratlos von singenden Gesichtern zu Orgelpfeifen und rauf ins Rund der Decke, wo sie über die 46 Glasfenster taumelt, auf denen biblische Motive - die „Grohner Bibel“ - zu sehen sind. Heinz Lilienthal heißt der Künstler, sagt der Dechant, der ein wenig wie ein Fremdenführer wirkt, als er, statt zu predigen, einzelne Glas-Motive deutet und, zum Beispiel in Adam und Eva, die „Suche nach dem liebenden Du“ erkennt.

Sehr kurz allerdings kommt der fremdzüngige Dienst an Gott: „Frau Janusz“ aus Polen liest ein paar Bibelsätze vor, und „Pfarrer Suleiman“, ornamental gewandet, hat auch nur grade mal zwei Minütchen Zeit für seine aramäische Liturgie. „Wer hat das verstanden?“, fragt der Dechant. Es heben sich ein paar kümmerliche Finger. „Und seht Ihr: Auch meine Frage haben jetzt manche nicht verstanden, aber vor Gott sind wir alle gleich.“ Und wenig später hebt ein allgemeines Händeschütteln an: Man sieht sich lächelnd ins Gesicht, der Fremdling wird zum Freund, und kommunionsmäßig gekleidete Kinder singen, nein „beten mit dem Körper“: „Vater unser, der Du bist im Himmel“. „Geht hin und stiftet Frieden“, sagt der Dechant. Und ich, allein in meiner Sofaecke? Wo gehe ich jetzt hin?

Sybille Simon-Zülch