: Jetzt wird's spannend bei Rot-Grün
In dieser Woche werden in Hannover die Ministerposten der neuen Landesregierung vergeben / Grüne wollen sich nicht aufs Bundesratsressort abschieben lassen / Inhaltlich sind die Koalitionsverhandlungen bislang gut vorangekommen ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Routiniert hakt die rot-grüne Koalitionsrunde in Hannover einen strittigen Punkt nach dem anderen ab. Nach der Atompolitik haben sich am Freitag die Verhandlungskommissionen von SPD und Grünen auch in der Müllpolitik geeinigt. Beim Giftmüll will die zukünftige rot -grüne Landesregierung alle laufenden Planfeststellungsverfahren für Verbrennung und Lagerung von Sondermüll stoppen. Damit sind zunächst die im Emsland und am Harzrand geplanten umstrittenen Hochtemperaturverbrennungsanlagen und auch die im ostfriesischen Jemgum vorgesehene Salzkavernendeponie vom Tisch. Durch ein Konzept zur Vermeidung und Verminderung von Sondermüll soll die Sondermüllverbrennung überflüssig werden. Falls dies nicht gelingt, wird „die Option Hochtemperaturverbrennung offengehalten“. Nach Auffassung des Sprechers der grünen Verhandlungskommission, Jürgen Trittin, entspricht dieser Kompromiß der grünen Programmatik. Auch bei den Grünen glaube niemand, daß man beim Sanieren von Rüstungsaltlasten ohne Hochtemperaturverbrennung auskomme.
Bei der Abfallpolitik hatte es nur im Vorfeld Irritationen zwischen SPD und Grünen gegeben. Auch die grüne Basis, die am Samstag zum dritten Mal über den Stand der Verhandlungen informiert wurde, ist mit den Ergebnissen bisher zufrieden. Allerdings fühlten sich die Abgesandten der 48 grünen Kreisverbände von den Informationen abgeschnitten. Durch die Protokolle der Koalitionsverhandlungen sollte die Basis ursprünglich auf dem laufenden gehalten werden. Doch bisher liegen lediglich drei Mitschriften vor. Die Verhandlungskommissionen kommen mit dem Protokollschreiben nicht mehr nach.
In der Wirtschafts- und Verkehrspolitik muß die 15köpfige rot-grüne Verhandlungsrunde noch den Text der Vereinbarung festlegen. Spannender wird es dann ab Donnerstag, wenn die Strukturen der künftigen Ministerien und damit die Verteilung von Ressorts und einzelnen Abteilungen zwischen den Koalitionspartnern auf der Tagesornung stehen. Nach der Kompromißbereitschaft der SPD bei manchen Inhalten erwarten die Grünen in diesen Fragen eine harte Haltung der Sozialdemokraten. Die SPD möchte dem Juniorpartner das Bundesrats- und das Frauenministerium zugestehen. Die Grünen selbst verlangen offiziell immer noch das Umwelt-, das Frauenministerium und ein drittes, nicht näher bezeichnetes Ressort. Gedankenspiele über eine Kompromißlinie in Sachen Umweltressort, das Gehard Schröder als unverhandelbar bezeichnet hat, kursieren allerdings schon seit Wochen bei den Grünen. Auf jeden Fall wollen die Grünen ein Ministerium, das gestaltend in den Bereich Ökologie eingreifen kann. In der Verhandlungskommission denkt man hier an ein neues Ressort, das die Bereiche Verkehr, Städte und Wohnungsbau, Raumordnung, Landesplanung und Naturschutz umfassen könnte. Das Umweltministerium bliebe damit wie bisher fast ausschließlich für Müll und Atommüll zuständig. Auch das Frauenministerium wollen die Grünen als reines Querschnittsministerium nicht akzeptieren. Man wünscht sich eher ein Ministerium für Frauen und Hochschule oder ein Frauenministerium, das mit dem Sozialministerium vereinigt ist. Das Bundesratsministerium wollen die Grünen nur akzeptieren, wenn ihm die Ausländer- und die Atompolitik zugeschlagen würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen