: Desolate Lage bei Stipendien
Offener Brief von Studenten der Humboldt-Universität an Lothar de Maiziere und Finanzminister Romberg ■ D O K U M E N T A T I O N
Mitte. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Minister!
Wie Sie wissen, ist die finanzielle Lage der Studenten der DDR durch die schleichenden Preiserhöhungen desolat. Die 200 -Mark-Stipendien sind längst keine hinreichende finanzielle Basis für ein anspruchsvolles Studium mehr. Vom Bildungsministerium wurde deshalb auch eine Erhöhung der Grundstipendien um 150 Mark vorgeschlagen. Aber auch 350 Mark monatliches Einkommen lägen inzwischen weit unter dem Existenzminimum von 495 Mark.
Doch statt einer klaren Konzeption zur sozialen Absicherung der Studenten erhalten wir z.B. von Staatssekretär Krause den Hinweis, daß die Eltern wieder verstärkt für ihre studierenden Kinder aufkommen müßten. Das würde bedeuten, daß die Studenten der DDR durch die Wende von unmündigen, aber unabhängigen zu mündigen, aber abhängigen Bürgern werden. Dem kann nur durch eine radikale Erhöhung aller Grundstipendien begegnet werden!
Herr Ministerpräsident, Herr Minister, der Studentenrat der Humboldt-Universität überweist Ihnen je ein Grundstipendium (inklusive Berlin-Zuschlag) in Höhe von 215 Mark. Wir fordern Sie hiermit auf, einen Monat lang ausschließlich von diesem Geld zu leben, damit Ihre Entscheidung über die Höhe der Stipendien von Sachkompetenz und intimer Kenntnis der Problemlage getragen wird. Ihre anderweitigen Bezüge für diesen Zeitraum könnten Sie zugunsten der rumänischen Kinder auf das Solidaritätskonto überweisen.
Um Sie nicht durch zu hohe Mietkosten zu belasten, würden wir Ihnen ein Bett für 10 Mark im Studentenwohnheim zur Verfügung stellen und die Miete für Ihre Hauptwohnung zahlen. Wir werden uns auch dafür einsetzen, daß Sie auf Wunsch ein Doppelzimmer erhalten, da wir Ihnen nicht die katastrophalen Arbeitsbedingungen eines Fünf-Mann-Zimmers zumuten wollen, unter denen ein Großteil der Studenten lebt. Mit vorzüglicher Hochachtung gez. Malte Sieber, Ronald Freyta
(für den Studentenrat der HUB
Am Donnerstag um 8.30 Uhr wollen die DDR-Studenten sich im Hof der Humboldt-Universität zur Volkskammer formieren.
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