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Streit um Importstopp

■ Bonn riskiert Klage wegen des Einfuhrverbots für britisches Rindfleisch / Falls keine gütliche Einigung, will EG-Kommission Europäischen Gerichtshof anrufen

Brüssel/Bonn (dpa) - Die Bundesregierung riskiert wegen des Einfuhrstopps für britisches Rindfleisch eine Klage der EG -Kommission beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Nachdem das Bonner Gesundheitsministerium - wie auch die französische Regierung - nicht auf das Brüsseler Ultimatum zur Rücknahme der Schutzbarriere bis Montag abend eingegangen war, will Brüssel ein Verfahren einleiten, das zum Gerichtshof führen kann. Agrarkomissar Ray Mac Sharry hofft nach Angaben eines Sprechers noch darauf, den Streit heute bei der Sondersitzung der EG-Landwirtschaftsminister einvernehmlich beizulegen.

Das Bundesgesundheitsministerium hatte am vergangenen Freitag zum Schutz gegen die in Großbritannien grassierende Hirnkrankheit von Rindern ein völliges Einfuhrverbot für britisches Rindfleisch verhängt. Die „Bovine Spongioforme Enzephalopathie“ (BSE), die im EG-Jargon auch „Mad Cow Disease“ (Rinderwahnsinn) genannt wird, greift das Hirn und das zentrale Nervensystem der Tiere an. Man vermutet, daß das Hirn kranker Schafe, das als Tiermehl dem Rinderfutter beigemischt war, Auslöser der Krankheit war.

Nach Angaben des Bundesministeriums reichte die bisherige Einfuhrbegrenzung auf „überschaubare Mengen“ nicht mehr aus, weil mit dem französischen Importstopp größere Mengen von möglicherweise infiziertem Fleisch auf den deutschen Markt umgeleitet würden. London hat scharf dagegen protestiert und beschuldigt Bonn und Paris, ohne triftigen Grund den freien Warenverkehr in der EG zu behindern.

Der tiermedizinische Ausschuß der Gemeinschaft, dem Vertreter der 12 EG-Länder angehören, wird heute ein neues Gutachten über die möglichen Risiken für den Verbraucher abgeben. Im Januar waren die Experten zu dem Schluß gekommen, daß durch den Genuß des Fleisches kein Gesundheitsrisiko für den Menschen drohe. Die EG-Kommission ist der Ansicht, die Hirnentzündung könne nur von Innereien übertragen werden, die seit März vor dem Export entfernt werden müssen.

Selbst in Großbritannien nimmt aber unterdessen die Sorge um die Krankheit zu. Der private Rindfleischverbrauch ging rapide zurück. Um die Rinderseuche einzudämmen, wurden seit 1988 etwa 13.000 britische Rinder notgeschlachtet. Der größte Abnehmer von britischem Rindfleisch in der EG ist Frankreich, gefolgt von Irland und den Niederlanden. Die britischen Exporte in die Bundesrepublik (vorwiegend Frisch und Gefrierfleisch) erreichten nach Angaben der EG -Kommission von Januar bis Oktober 1989 ein Volumen von rund 8.300 Tonnen und einen Wert von etwa 82 Millionen Mark).

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