: Niedersachsen will Frauen bevorzugen
Die rot-grünen Koalitionäre in Hannover sind sich nun auch über die Frauenpolitik sowie die Wirtschafts- und Verkehrspolitik einig / Nach dem Gleichstellungsgesetz sollen Frauen in allen Bereichen entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten sein ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Auf eine künftige niedersächsische Frauenpolitik, die als Querschnittspolitik „alle gesellschaftlichen, rechtlichen und ökonomischen Bereiche umfaßt“ und dort „positive Maßnahmen zugunsten von Frauen“ durchsetzt, haben sich die rot-grünen Koalitionäre in Hannover geeinigt. Die Vereinbarung zur Frauenpolitik, auf die sich SPD und Grüne Mittwoch abend geinigt haben, sieht als wichtigste Gesetzesvorhaben einer künftigen Frauenministerin ein Gleichstellungsgesetz, ein Frauenbeauftragtengesetz und ein Gesetz zur Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Gesetzes- und Amtsprache vor. Ziel des Gleichstellungs- oder Quotierungsgesetzes soll sein, daß zukünftig „Frauen in allen beruflichen Bereichen und auf allen hierarchischen Ebenen“ entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind. Bei der Besetzung von Funktionen und Ämtern sollen deswegen Frauen „solange bevorzugt“ werden, bis diese Parität von Frauen und Männern erreicht ist.
Außerdem sollen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen, Forschungsprojekten und Leistungen des Landes „solche Betriebe bevorzugt werden, die die beruflichen Chancen von Frauen und Mädchen gezielt fördern“.
Mit einem Frauenbeauftragtengesetz will eine rot-grüne Parlamentsmehrheit alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts zur Bestellung von Frauenbeauftragten und zur Einrichtung von Frauenbüros verpflichten. Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern müssen eine hauptamtliche Frauenbeauftragte beschäftigen. Während die Grünen sich mit diesem Gesetzesvorhaben in den Verhandlungen durchsetzen konnten, zeigten sie sich in der Frage des Paragraphen 218 kompromißbereit. Ungeachtet der gegensätzlichen Positionen zu diesem Paragraphen will eine rot-grüne Landesregierung daraufhinwirken, „den Schwangerschaftabbruch innerhalb der ersten drei Monate straffrei“ zu stellen. Besser finanziell austatten will die künftige Landesregierung Frauen- und auch Mädchenhäuser und Frauenprojekte.
Auf ein Umsteuern in der Wirtschaftsförderung haben sich SPD und Grüne am gestrigen Morgen geeinigt. So soll es künftig einen durch Umschichtung finanzierten Ökologiefonds geben, der mit einem jährlichen Etat von 40 bis 60 Millionen Mark die Entwicklung von umweltverträglichen Produkten, von Techniken zur Abfallvermeidung und die sanfte Chemie, sanften Tourismus und die sanfte Biotechnologie fördern soll. Die Regionalisierung der Wirtschaftsförderung wollen SPD und Grüne in einer Region mit einem Modellvorhaben erproben.
Bei der strittigen Frage der in Hannover geplanten Weltaustellung hat sich die SPD weitgehend durchgesetzt. Beide Koalitionspartner gehen jetzt davon aus, daß Hannover den Zuschlag für die Expo 2000 erhalten wird. In der Planungsphase der von den Grünen eigentlich abgelehnten Ausstellung soll nun nur noch ein Konzept entwickelt werden, das einer Ökologie und Lebensqualität orientierten Stadtplanung entspricht.
Auch in der zunächst strittigen Verkehrspolitik haben die Verhandlungskommissionen gestern einen Kompromiß gefunden. Sie sprachen sich gegen die im Emsland geplante Daimler-Benz -Teststrecke und gegen den Bau einer Küstenautobahn aus.
Fertiggestellt werden sollen dagegen die Emsland-Autobahn und die Autobahnverbundung mit den Niederlanden. Auch bei der umstrittenen A 26 von Hamburg nach Stade haben die Grünen offenbar nachgegeben. Hier soll eine endgültige Entscheidung über den Autobahnbau erst nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung durch das Umweltbundesamt und nach einen Gutachten zur Optimierung des Schienenverkehrs fallen. Den Streitpunkt Hafenausbau hatten die Grüne Fraktionsvorsitzende Thea Dückert und SPD-Verhandlungsführer Gerhard Schröder schon am Dienstag durch einen Besuch bei Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau erledigt.
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