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Nicht zu fassen

■ James Trefil, „Die Astrophysik der Dunklen Materie“

In diesem Universum gibt es eine Materie, die noch niemand gesehen hat. Oder gefühlt, geschmeckt. Sie ist einfach nicht zu messen. In einem sehr frühen Stadium des Universums hat sich diese Materie gebildet, so daß sie lediglich durch ihre Anziehungskraft mit uns interagiert. Deshalb ist sie auch nicht zu sehen oder zu hören, oder was auch immer, denn all diese Vorgänge beruhen auf mechanischen oder elektromagnetischen Wellen, die diese Dunkle Materie nicht aussenden kann. Sie kann sich nur durch Gravitation bemerkbar machen. Wenn Sie mir nicht glauben: Rechnen Sie doch nach.

Gäbe es diese Materie nicht (und zwar gleich eine ganze Menge davon - etwa zehnmal soviel wie gewöhnliche Materie), dann würden Sie jetzt nicht diesen Artikel lesen, denn die Erde wäre nicht da, wo sie jetzt ist, die Galaxien würden auseinandergeschleudert, und, und, und. Kurz, die Welt wäre nicht die, die sie ist.

Wenn Sie dieses Thema interessiert - aber halt: Mystiker müssen draußen bleiben -, dann ist James Trefils neues Buch Die Astrophysik der Dunklen Materie das Richtige für Sie.

Zugegebenermaßen klingen das Thema und der Buchtitel, als hätte sich Däniken auf Kosmologie gestürzt, aber keine Angst: derlei Berfürchtungen - oder wer weiß, Hoffnungen (s.o.) - werden nicht bestätigt. James Trefil ist in der Tat ein anerkannter Kosmologe, und was er uns da von Dunkler Materie erzählt, ist nicht irgendein Hirngespinst, sondern schlicht und ergreifend Folge der Daten, die vom Universum vorliegen. Der Gedanke der Dunklen Materie hat sich in der Kosmologie durchgesetzt, und der Grund, warum relativ selten darüber berichtet wird, ist wohl der, daß sich dieser Gedanke langsam entwickelt hat und nicht von heute auf morgen einfach dastand.

Außerdem weiß noch keiner, wie Dunkle Materie überhaupt zusammengesetzt ist, welche Struktur sie hat. Das ist dann auch Thema des letzten Drittels des Buchs - welche Ideen es hier gibt, und wie man versucht, sie zu beweisen. Dabei gibt Trefil auch seine Einschätzung der heute üblichen Forschungsmethoden und des Wissenschaftsbetriebes schlechthin, ohne zu verschweigen, daß wohl einiges übereilt wird und wie viele „revolutionäre“ Ideen eines berechtigten frühen Todes verfallen.

Zweifelhaft ist vielleicht die Rowohlt-Werbekampgane zu diesem Buch. Es muß wohl auf Teufel komm raus ein Erfolg werden. In der Werbung steht es direkt neben dem Hawking -Buch, das Format ist dasselbe, die Schrift und alles. Und wenn das Buch schon genauso aussieht, dann geht's ja wohl auch genauso weg.

Noch Dreisteres habe ich letzte Woche gesehen: irgendein Taschenbuch eines anderen Verlages hatte ein Cover identisch mit dem Hawking-Cover; nur was bei Hawking ein blauer Möbius -Streifen ist, ist bei der Kopie ein blaues Unendlich -Zeichen (eine Acht auf dem Bauch). Selbe Schrift, selbes Layout. Ich kaufe nur Coca-Cola.

Nochmal: Mystiker warten bitte - der Zug ist schon abgefahren!

Markus Andrezak

James Trefil, Die Astrophysik der Dunklen Materie. Fünf Gründe, warum es die Welt nicht geben kann. Deutsch von Hubert Mania unter fachlicher Beratung von Dr. Klaus Henning. Rowohlt Verlag, 250 Seiten, 36 D-Mark.

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