: Der Kanalarbeiter
■ Tele-Tips aus der Provinz
Von der leidigen Fußballerei mal abgesehen, die in den nächsten Tagen das Programm über Gebühr dominiert und unsere Langmut strapaziert, nimmt Italien in den canali an diesem Wochenende breiten Raum ein. Als Antipasta serviert Sat.1 am Samstag punkt 11.00 Uhr den Spielfilm Unser Boss ist eine Frau. Daß die Hauptrolle mit der jugendlichen Senta Berger augenweidend besetzt wurde, ist so ziemlich das Beste, was man über diese Klamotte sagen kann. Auch die Liebhaberinnen gestählter Männerkörper kommen auf ihre Kosten, ergötzt doch 3sat das geneigte Publikum um 17.30 Uhr mit einem Van- und Sandalenfilm aus dem Jahr 1962, der den Titel Die Jäger des Sarazenenschatzes trägt. Hier dürfen diverse Abkömmlinge römischer Gladiatoren einmal nach Herzenslust über die (Muskel-)Stränge schlagen und ihre Bizepse spreizen. Ihnen steht vor ein zumeist barbusig auftretender Schauspieler, der sich mit dem in den Weiten der Filmgeschichte verlorengegangenen Namen Rod Flash Ioosh schmückt, ein nom de guerre, der vermuten läßt, daß der gute Mann laut aus einem amerikanischen Comic vorlas, als er beim casting um seinen Namen gebeten wurde...
Der Kampf gegen die Mafia, der in den 42 Folgen einer neuen RTL-Serie sowie in dem heute um 20.15 ausgestrahlten Pilotfilm ausgefochten wird, berührt Italien nur indirekt. Akkurat italienisch kommt uns dann der nämliche Sender vermöge der haarsträubenden Klamaukiade Ein Zwinger voll Verrückter, die um 23.00 Uhr das Fernsehen in ein Grimassenmedium verwandelt.
Kommen wir zum Sonntag und zu einer koordinatorischen Glanz - und Meisterleistung des Norddeutschen Rundfunks, der in seinem 3. Programm um 13.45 die Jugendsendung Live aus dem Schlachthof zeigt, welche sich nun aber auch schon sehr präzise überschneidet mit der ebenfalls vom NDR zum Programm der ARD beigesteuerten Jugendsendung Dock 11. Ein dreifach donnerndes Bravo dieser klugen Planung! Zur Strafe gucken wir weder das eine noch das andere, sondern „Gorbi viel gut“ im ZDF. Dort nämlich sehen wir um 14.45 Uhr den Cartoonisten & Satiriker Hans Traxler, einer der Oberlehrer aus dem Kollegium der Neuen Frankfurter Schule, in Moskau bei der Recherche zu seinem nicht ganz ernst gemeinten Buch über den Werdegang eines gewissen Gorbatschow, das mittlerweile in jedem besser sortierten Buchladen eingesehen und sogar gekauft werden kann.
Eine wechselvolle Geschichte hat der Stummfilm Queen Kelly. Die Hollywood-Diva Gloria Swanson produzierte die 1928 unter der Regie Erich von Stroheims entstandene maliziöse Moritat und übernahm selbstverständlich die Hauptrolle. Schon während der Dreharbeiten überwarf sie sich mit dem exzentrischen Stroheim und ließ den Film nach ihrem Gusto umschneiden. Der blieb nicht lange in den Kinos. Erst 1984 wurde versucht, das Werk zu rekonstruieren. Leider ist nur der erste Teil erhalten geblieben, der Schluß mußte mit Standfotos dokumentiert werden. Trotzdem zeugt das Fragment von der Meisterschaft Stroheims, der nach nur acht Filmen seine vielversprechende Karriere beenden mußte. West 3 gibt um 20.00 Uhr Filminteressierten Gelegenheit, den selten aufgeführten Film zu sehen.
Abschließend sei noch der Hinweis erlaubt, daß RTL um 20.15 Uhr mit der Burleske Mein Zimmer wird zum Harem wie auch am kommenden Dienstag mit Tammy und der Doktor auf die mir bislang unbekannte Existenz eines Regisseurs namens Harry Keller hinweist, der mit dem Unterzeichneten weder verwandt noch verschwägert ist.
Harald Keller
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