: Schoppe nicht radikal genug
Die Landesarbeitsgemeinschaft der grünen Frauen in Niedersachsen will die grüne Bundestagsabgeordnete Waltraud Schoppe nicht als Frauenministerin akzeptieren ■ I N T E R V I E W
Berlin (taz) - Christa Karras (44), Frauenreferentin der grünen Landtagsfraktion in Niedersachsen, verhandelt für die Grünen zur Frauenpolitik. Sie gilt als Anwärterin für den Posten der Staatssekretärin im neuen Frauenministerium.
taz: Landesvorstand und Verhandlungskommission der Grünen haben Waltraud Schoppe als Frauenministerin vorgeschlagen. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Frauen (LAG) stellt sich quer. Warum?
Christa Karras: Ich spreche jetzt im Namen der Landesarbeitsgemeinschaft. Waltraud Schoppe steht nicht für die feministische Frauenpolitik, für die wir stehen. Wir haben ein sehr radikales frauenpolitisches Programm ausgearbeitet, das auch so durchgegangen ist in der Landesdelegiertenkonferenz. Waltraud Schoppe hat nun versucht, einige Anträge einzubringen, die das Ganze entradikalisieren.
Können Sie dieses Schlagwort konkretisieren?
Wir unterstützen z.B. eine Gesetzesinitiative zur Zivilklage gegen Pornographie. Das ist etwas, was Waltraud Schoppe überhaupt nicht mitmachen will.
Nun ist aber diese Frage unter Feministinnen heftig umstritten. Ist das nun wirklich der Maßstab dafür, ob eine Politikerin als Frauenministerin geeignet ist oder nicht? Wird das nicht vorgeschoben?
Das ist ein inhaltlicher Punkt unter anderen. Dann gibt es den Streit um Mindeststrafe von Vergewaltigung. Die LAG hat sich für die zweijährige Mindeststrafe eingesetzt, und das ist ja nun auch von der Bundestagsfraktion eingebracht worden. Waltraud Schoppe steht für die Position, es muß eine halbjährige bis einjährige Mindeststrafe geben, weil da die Möglichkeiten vorhanden ist, die Strafe auszusetzen. Denn bei der Frage der Vergewaltigung in der Ehe steht bei ihr der Versöhnungsgedanke im Vordergrund.
Das sind Fragen, die in Bonn entschieden werden.
Aber sie stehen dafür, welche Politik Waltraud Schoppe machen wird. Ein weiteres Beispiel. Wir wollen die Hochschulen und die Kommunen ab 10.000 EinwohnerInnen verpflichten, Frauenbeauftragte einzusetzen. Wir sind der Ansicht, daß eine Mindestausstattung notwendig ist und wollen dies auch in der niedersächsichen Gemeindeordnung festschreiben. Das ist konkret ein Eingriff in kommunale Selbstverwaltung. Wir meinen allerdings, daß es ohne diesen Eingriff überhaupt nicht geht. Aber das ist für Waltraud Schoppe im Moment sehr schwer mitzutragen.
Werden die grünen Frauen unter Berufung auf das Frauenstatut der niedersächsischen Grünen Waltraud Schoppe die Zustimmung verweigern?
Es gibt einen Antrag aus Aurich-Norden, daß bei der Abstimmung über die personelle Besetzung nach dem Frauenstatut verfahren werden soll. Wenn dieser Antrag durchgeht, dann wird eine Reihe niedersächsischer Frauen Waltraud Schoppe nicht zustimmen.
Es gab viel Kritik, die Grünen hätten sich bei der Personal - und Ressortverteilung abspeisen lassen. Wie stark wird das Frauenministerium sein? Fehlt nicht der Apparat?
Das ist richtig. Aber wir haben morgen noch einmal eine Verhandlungsrunde über Kompetenzen und Ausstattung. Wir wollen auf jeden Fall Frauenbeauftragte in den anderen Ministerien als Zuarbeiterinnen. Weiterhin soll das Frauenministerium „angereichert“ werden, d.h. in den anderen Ministerien wird geprüft, was sich auslagern und dem Frauenministerium zuordnen läßt, z.B. im jugendpolitischen Bereich. Waltraud Schoppe hätte gerne die Verbindung von Sozialministerium und Frauenministerium gewollt. Das haben wir nicht durchsetzen können. Aber das ist auch nicht meine Kiste, ich will ein Frauenministerium. Der Kompromiß, den wir zwischen uns ausgehandelt haben, ist nun ein Frauenministerium mit Anreicherung.
Will Christa Karras denn am liebsten selbst Frauministerin werden?
Für die Besetzung des Staatsekretärinnenpostens stehe ich nach wie vor zu Verfügung. Wenn die Landesdelegiertenkonferenz eine andere Entscheidung trifft und mich als Ministerin will, werde ich das auch akzeptieren.
Interview: Helga Lukoschat
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