Gegen Vorurteile anschwimmen

AL- und SPD-Stadträtinnen sichern aidskranken und HIV-positiven Schwimmern Unterstützung zu / Angst vor Stigmatisierung am Einlaß / Infoangebot ohne Resonanz  ■ I N T E R V I E W

Beim gestrigen „Protestschwimmen“ Aidskranker und HIV -Positiver im Stadtbad Krumme Straße in Charlottenburg waren auch die Gesundheitsstadträtinnen Sabine Nitz-Spatz (AL -Tiergarten) und Anette Schwarzenau (AL-Charlottenburg) sowie Tiergartens Sozialstadträtin Ada Withake-Scholz (SPD) dabei.

taz: Warum schwimmen Sie heute mit?

Nitz-Spatz: Ich bin ganz einfach aus Solidarität hier. Wenn man schon nicht sagen kann, daß überhaupt gesundheitliche Gründe dagegen sprechen, daß die Leute dort schwimmen, dann soll man wenigstens ehrlicherweise sagen, daß es eben aus ästhetischen oder anderen Gründen ist, und dann denke ich sind wir auf der Ebene, daß wir sagen, daß eben Behinderte dann auch ein öffentliches Ärgernis sind und nicht schwimmen dürfen.

Withake-Scholz: Ich möchte hier mit diesem Schwimmen demonstrieren, daß die Sorgen, die da im Hintergrund stehen, völlig unberechtigt sind. Nun kann natürlich eine Senatsentscheidung keine irrationalen Ängste verhindern, sondern das ist ein Gespräch, was mit dem Badepersonal geführt werden muß. Das muß man ganz direkt und ganz persönlich besprechen, was könnte mich erwarten, was für Sorgen habe ich da.

Schwarzenau: Irrationale Ängste sind ganz normal und verständlich, aber ich habe den Eindruck, hier ist auch was aufgebaut worden in den letzten 14 Tagen. Wir haben noch mal einen Informationstermin angeboten, aber da ist bisher nicht drauf eingegangen worden, weil es jetzt heißt, man wartet auf das Okay der Senatssportverwaltung. Ich geh‘ mal davon aus, daß das auch in den nächsten Tagen kommen wird. Wir haben inzwischen angeboten, daß jedesmal die Ärztin der Aids -Beratung mitgeht. Schon jetzt wird ja erzählt, man habe Angst, daß die Leute im Falle einer Wiederbelebung beißen könnten. Ich habe das noch nie gehört, daß gerade bei Untergehenden besonders viel gebissen wird. Wir bieten vom Gesundheitsamt an, daß jedesmal eine Ärztin dabei ist, und wenn dann gebissen wird, dann wird die gebissen. Hier müßte ja eigentlich eine Entlastung für die Kolleginnen und Kollegen des Badepersonals sein.

Man muß ja mal weiterdenken. Solange sich hier keine Gruppe angemeldet hat, wurde ja bisher Gott sei Dank noch nicht gefragt bei der Einlaßkontrolle: Haben Sie Hepatitis, oder haben Sie Schnupfen, oder haben Sie Aids? Wenn man das jetzt mal zu Ende denkt, was hier jetzt gerade für 'n Spiel gemacht wird, würde das bedeuten, daß man irgendwann doch den Stempel trägt. Das finde ich das Schlimme bei der ganzen Angelegenheit. Erst in dem Moment, wo hier eine Gruppe ankommt und offen sagt, ja wir haben das, und wir wollen hier zusammen schwimmen, da werden auf einmal Ängste laut. Vorher hat noch niemals jemand darüber gesprochen, was denn mit den Einzelnen ist. Meine Angst ist, daß jetzt die Debatte aufkommt: Wir wollen aber von jedem, der reinkommt, wissen, was er hat. Und das finde ich so beängstigend und so schlimm.

Am Beckenrand Sigrid Bellack