CDU-Fragebögen gegen ausländische Jugendliche

■ SPD kritisiert Aktion als „populistischen Showeffekt“ / Polizei rät Opfern von Jugendbanden, sich „auf jeden Fall zu melden“ / Polizeipräsenz vor Schulen nur „subjektives Sicherheitsgefühl“ / Sozialarbeiter skeptisch gegenüber Polizei: Bei Zusammenarbeit ist „Vertrauen“ weg

West-Berlin. Auf scharfe Kritik der SPD ist gestern eine Initiative der CDU gemeinsam mit der Berliner Schüler-Union (BSU) gestoßen, an Westberliner Schulen eine Fragebogenaktion zum Thema Jugendbanden zu starten.

Was nach Auffassung der CDU zu einer „längst überfälligen Bestandsaufnahme“ beitragen soll, stellt sich für die SPD ganz anders dar. Solche Aktionen, so der ausländerpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Eckhardt Barthel, könnten nur dazu beitragen, „pogromartige Stimmungen zu erzeugen“. Die CDU solle die „ohnehin emotionalisierte Stimmung nicht noch durch populistische Showeffekte wie die gestern angekündigte Umfrage an den Schulen“ aufheizen.

In dem Fragebogen, der sich „an alle Schüler Berlins“ richtet, werden unter anderem die Schulsenatorin Volkholz (AL) und Innensenator Pätzold (SPD) für „die Verharmlosung des Problems“ kritisiert. Dann werden die Jugendlichen detailliert nach Erfahrungen mit Jugendbanden befragt.

Unterdessen haben sich SozialarbeiterInnen kritisch über die von der Polizei am Montag im Innenausschuß geforderte Zusammenarbeit geäußert. „Wenn irgendwo der Verdacht der Zusammenarbeit entsteht“, so ein Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe in Wilmersdorf, „ist das Vertrauen weg.“ Problematisch sei auch, alles bei der Polizei anzuzeigen: „Wenn nur genügend kleine Delikte zusammenkommen, muß der Richter eine Jugendstrafe aussprechen.“ Dadurch würden die Jugendlichen „stigmatisiert“ und kämen erst in das „entsprechende Milieu“.

Die Referatsleiterin in der Polizeidirektion 5 (Kreuzberg, Neukölln und zum Teil Tempelhof), Ellen Karau, hatte in der Sitzung moniert, daß in Einzelfällen die Aufklärung der Polizei durch LehrerInnen und SozialarbeiterInnen behindert würde. Im Gespräch mit der taz bemängelte Karau, daß von Jugendbanden ausgeraubten oder verprügelten Opfern abgeraten würde, zur Polizei zu gehen. Wenn betroffene Jugendliche oder deren Eltern Angst vor Rache haben, dann sollen sie „trotzdem zu uns“ kommen: „Wir finden die Jugendlichen, die ihren Opfern auf dem Nachhauseweg auflauern.“

Die Polizei hat seit Pfingsten ein Sonderprogramm aufgelegt, um Jugendbanden von besonders häufig betroffenen Schulen fernzuhalten. Beamte in Uniform und in Zivil schieben in den Pausen vor einigen Schulen aller Bezirke Dienst. Doch Kalau ist von der „grünen Präsenz“ wenig überzeugt. Anwohner hätten zwar „subjektiv“ das Gefühl von Sicherheit, und die Banden „lassen ab“, doch vielleicht ginge es im Klassenzimmer weiter.

Die Polizeidirektorin und Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe Gruppengewalt möchte unbedingt, daß mit den Jugendlichen geredet wird. Die Jugendgangs würden überfallartige Polizeiaktionen oft mißverstehen. Wenn Polizisten berichten, welche Angst sie „bei einem Auftrag“ (Notruf: Messerstecherei) haben, seien die Jugendlichen „betroffen“. Karau kritisierte darüber hinaus, daß die Schulen sich viel zuwenig auf die Grenzöffnung am 2. Juli vorbereitet hätten. In Ost-Berlin müßten Vorurteile gegen ausländische Berliner Jugendliche abgebaut werden. „Jugendliche in der DDR können nicht nachvollziehen, daß türkische Jugendliche hier geboren sind“, so Karau.

Auch eine Mitarbeiterin des Jugendfreizeitheimes Naunynritze in Kreuzberg findet die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden problematisch, denn „wenn den Polizeibeamten eine Straftat bekannt wird, müssen sie ermitteln“. Die Naunynritze versucht mit Mitgliedern von Jugendgangs, zu gewalttätigen Reaktionen Alternativen zu finden. Hier wird sich auch um Kontakte mit Friedrichshain bemüht. Ein Ostberliner Kulturzentrum hat bei dem Freizeitheim darum gebeten, zusammen etwas zu unternehmen, „bei uns sind alle Leute so rechts“.

Die Türkische Gemeinde, eine Beratungsstelle für türkische Mitbürger, ist um den Kontakt mit der Polizei bemüht. Die Gemeinde hat mit der Polizeischule schon öfters Gespräche geführt, berichtet Sozialarbeiter Zafer Öztürk. Er wünscht sich für die Zukunft, daß die Senatsjugendverwaltung und die Ausländerbeauftragte sich dem Thema Jugendbanden mehr annehmen.

Dirk Wildt