Herr Gauweiler übernehmen Sie!

■ Die Rinderkrankheit BSE und die Aufhebung des Importverbots

Um was geht es: Eine epidemisch grassierende, unbekannte Krankheit, ein tödlicher, noch nicht identizifierter Erreger, ein unklares Bild über die Ausbreitung der Seuche, ein Restrisiko für die Übertragbarkeit des Erregers auf den Menschen, eine lange Inkubationszeit, in der die Krankheit symptomlos schläft und jede Menge ungeklärter Fragen.

Und was passiert: Herr Gauweiler und alle Seuchenpolitiker der harten Linie treten energisch auf den Plan, machen sofort die Grenzen für britisches Rindfleisch dicht, durchsuchen Tag und Nacht jeden Fleischtransporter, rufen zur Sonderkonferenz, durchkämmen mit BSE-Razzien die Rinderbestände, stoppen die Verfütterung von Futtermehlen aus Tierkadavern, inspizieren Lagerbestände und Kühlhäuser, Schlachthöfe und Fleischfabriken. Zu jeder vollen Stunde werden die Verbraucher in Sonder-Spots in Fernsehen und Radio vor britischem Rindfleisch gewarnt, in Bayern halbstündlich. Gut getarnte VS-Agenten bieten auf dem schwarzen Markt britisches Rindfleisch an und sperren jeden Metzger und Händler zwei Jahre in den Knast, der auch nur ein einziges Rumpsteak kaufen will. Der Kampf gegen das heimtükische Virus wird unerbittlich geführt.

In Wahrheit passiert wenig: Die Seuchenpolitiker aller Länder haben sehr schnell gezeigt, wie es mit ihrer Courage bestellt ist, wenn es einmal nicht gegen homophile Minderheiten, sondern gegen den Agrar-Moloch geht. Das viel zitierte klassische Inventar der Seuchenpolitik wird so schnell eingefroren wie die toten Rinder, die jetzt wieder ungestört die Reise auf den Kontinent antreten. Dabei ließe sich gerade die Rinderseuche leicht bekämpfen, ohne Grund und Persönlichkeitsrechte außer Kraft zu setzen.

Niemand weiß im Augenblick, wie gefährlich die BSE-Seuche wirklich ist. Aber wenn sich die Rinder das Virus wegen der Verfütterung von toten Schafen in Form von Tiermehl holten, warum soll dann der Genuß von toten Rindern (Rindfleisch) für Menschen von vornherein ungefährlich sein? Die Verbraucher-Politik der Bundesregierung ist kriminell. Sie verleugnet die Risiken, um den Warenverkehr aufrechtzuerhalten. Im Zweifel für den Verbraucherschutz? Nein: Im Zweifel für die EG-Bestie. Um einen Beamten des Bundesgesundheitsamtes zu zitieren: „Man kann nur beten, daß unsere Vermutungen über BSE stimmen.“ Derselbe Mann sagte aber auch: „Wir wissen noch viel zu wenig über diese Krankheit.“

Manfred Kriener