piwik no script img

„Unsere Medien - unsere Republik“

■ Projekt des Adolf-Grimme-Instituts zur Mediengeschichte

Vierzig Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes erscheint es durchaus angebracht, eine Geschichte der Bonner Republik zu schreiben. Lange bevor die aktuelle Entwicklung jenseits der Elbe abzusehen war, hat aus diesem Anlaß das Adolf-Grimme-Institut, das Medieninstitut des Deutschen Volkshochschulverbandes in Marl, damit angefangen, die Geschichte dieser Bonner Republik anhand seiner Medien aufzuschreiben. „Unsere Medien - unsere Republik“ heißt das Projekt, mit dem man sich beim Adolf-Grimme-Intitut zur Zeit befaßt.

Dabei gehen Hildegard Kühne-Scholand als Projektleiterin und ihre beiden MitarbeiterInnen Petra Schmitz und Norbert Weigend einen ungewöhnlichen Weg, Material zu sammeln und dieses später einmal für Multiplikatoren in Presse und Erwachsenenbildung aufzuarbeiten. Nicht einfach nur dröges Quellenstudium von der Lizensierung der Tagespresse über Adenauers Deutschlandfernsehen bis zum KtK-Bericht aus den siebziger Jahren betreibt die AGI-Arbeitsgruppe, sondern schon die erste Entwicklungsphase des Projektes wird öffentlich durchgeführt.

Dabei veranstaltet die Arbeitsgruppe in verschiedenen Städten der Bundesrepublik öffentliche Hearings mit Wissenschaftlern und Zeitzeugen, um zentrale Daten der bundesdeutschen (Medien-) Geschichte zu diskutieren.

Die Orte dieses Hearings sind dabei keineswegs willkürlich gewählt: Frankfurt als ehemaliger Sitz der Al-liierten hohen Kommission war Veranstaltungsort für das Stichdatum 1949 mit den Schwerpunkten Lizenzpresse und Trümmerfilm, Bonn Diskussionsort für das Datum 1962 mit den Schwerpunktthemen Meinungsfreiheit aus Anlaß der Affären um 'Spiegel‘ und 'Panorama‘ sowie dem Oberhausener Manifest.

Heute ist Berlin gastgebende Stadt mit dem Stichdatum - wie sollte es auch anders sein? - 1968 und dem Motto „Was habt ihr denn, uns geht's doch gut...“ Meinungsmanipulation durch die Springer-Presse, die aufkeimende Diskussion um die „innere Pressefreiheit“ und die Pressekonzentration stehen in Berlin im Mittelpunkt. Unter den Diskutanten: Klaus Schütz, damals Regierender Bürgermeister von West-Berlin und heute Direktor der Landesrundfunkanstalt Nordrhein -Westfalen, und Frank Wolff, seinerzeit SDS-Vorsitzender und heute Verleger und „Kur-Orchester„-Musiker in Frankfurt.

Für Hildegard Kühne-Scholand sind diese Diskussionen Teile der Recherche, die im Rahmen des auf zwei Jahre angelegten Projektes ohnehin nicht sehr tiefgehend sein kann. Immerhin aber trägt das Projekt dazu bei, überhaupt erst einmal die Mediengeschichte der Republik zu schreiben, die ansonsten nur so vor weißen Flecken strotzt. Abgesehen von Arbeiten des Dortmunder Journalistik-Professors Kurt Koszyk zur Pressegeschichte kurz nach 1949 und einer Darstellung der Rundfunkgeschichte bis 1980 des ehemaligen SDR-Intendanten Hans Bausch gibt es nahezu nichts Systematisches. Das AGI -Projekt will wenigstens in Ansätzen dazu beitragen, etwas mehr Material zur Verfügung zu stellen. Die Merkdaten dienen dazu, eine Struktur in die 40 Jahre bundesrepublikanische Geschichte hineinzubekommen. Insgesamt erscheinen nach den jeweiligen Erörterungsterminen acht Zeitschriften mit sehr gut lesbaren, journalistisch aufbereiteten Artikeln zu den einzelnen Epochen, Artikel beispielsweise über den Fernsehapparat als Möbelstück in der Nierentisch-Ära.

Münden wird das Projekt in einem Buch und in Materialien für Kursleiter an Volkshochschulen aber auch anderen Bildungsinstituten und Universitäten. Und schließlich bereitet der Süddeutsche Rundfunk derzeit eine fünfteilige Fernsehserie zur Mediengeschichte in der Bundesrepublik vor, die im Jahre 1991 ausgestrahlt werden wird.

Allein die öffentlichen Hearings (die folgenden zu den Stichdaten 1970, 1976 und 1984 sind im dreimonatigem Abstand für München, Stuttgart und Ludwigshafen geplant) bieten, wenn man von der letzten Diskussion in Bonn Rückschlüsse auf die folgenden Veranstaltungen schließen darf, interessante Einblicke und Kontroversen zu Teilaspekten und parallelen Entwicklungen in unserem Mediensystem. Nicht nur für Publizistik-StudentInnen.

-boff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen