piwik no script img

Aus Sperrgebiet mach Freizeitpark

■ Planung für Freizeitpark in Teupitz läuft auf vollen Touren / Platz für Tennis, Go-Kart und Golf / Bürgermeister klagt: „Entscheidungen werden ohne uns getroffen“ / Arbeitsplatzbewerber stehen Schlange / Ökologen protestieren gegen drohende Zerstörung eines Biotops am Lebersee

Königs Wusterhausen. Noch immer ist das kleine märkische Dorf Tornow bei Teupitz eine Sackgasse: Wer die Dorfstraße weiterfährt, stößt seit Jahrzehnten auf militärisches Sperrgebiet. Jetzt wurden die Sperrschilder am über 50 Quadratkilometer großen „Areal Massow“ entfernt.

Über den Fuhrpark des ehemaligen „Wachregiments Feliks E. Dzierzynski“ wächst zartes Gras, die Baracken stehen verlassen, nur am früheren Stabsgebäude verweisen rote Versalien auf den neuen Besitzer, der das Areal im Mai, wie berichtet, vom Rat des Kreises Königs Wusterhausen pachtete: DIHAG, die Deutsche Interhotel AG. Ansonsten herrscht die übliche Tristesse militärischer Zwingburgen: Wachtürme, Mauern, Stacheldraht. Wo noch vor einem Jahr die Wachtruppe der Stasi für den Ernstfall trainierte, soll künftig Europas vermutlich größter Freizeitpark entstehen. Geplant sind, wie die Interhotel AG jetzt verriet, Hotelanlagen mit über 3.000 Betten, Campingplätze, Bade- und Spiellandschaften, Fitness -Center, gastronomische Einrichtungen für etwa 2.000 Personen, ein Kongreßgebäude, Tennisplätze und Golfanlagen. Auch für die Olympiade sollen „bestimmte Segmente“ zur Verfügung stehen.

„Ein Wirtschaftsförderungssystem für die gesamte Region“, schwärmt Kurt Fischer. Der Mittdreißiger im Schniegel-Outfit eines frischgebackenen DDR-Unternehmers - er bezeichnet sich bescheiden als „Verantwortlicher für die bestehenden Immobilien Massow“ - fügt hinzu: „So etwas kann man nicht ohne die Bürger machen. Tabus sind hier gar nicht möglich.“ Dr. Kuhl, neugewählter Bürgermeister der Anliegergemeinde Teupitz, hat da andere Erfahrungen: „Wir wissen nicht, was da läuft. Die Entscheidungen werden ohne uns getroffen.“

„Über Geschäfte sollen die reden, die es in erster Linie etwas angeht“, meint Wolfgang Schulz, Objektleiter in Massow und vom Rat des Kreises mit der Übergabe an den neuen Generalpächter beauftragt. Nun träumt Schulz von der Zeit, in der „die Firma hier mal Einnahmen hat, die ins Positive gehen“. Dann könnten auch die Kommunen in Form von Pachtzins und Steuern beteiligt werden.

Wie hoch die Jahrespacht sein wird, darüber hüllt man sich aber in Schweigen. Was also bleibt für die Kommune? Zunächst einmal: 5.000 angeblich dauerhafte Arbeitsplätze. In der Aufbauphase sollen zeitweilig bis zu 10.000 Arbeitsplätze möglich sein. Das ist viel in dieser industriearmen Region, wo viele Beschäftigte bis ins 50 Kilometer entfernte Berlin zur Arbeit fahren müssen.

Hinzu kommen die zu erwartenden Massenentlassungen bei den LPGs. Ob der Freizeitpark-Pläne herrscht in den Kneipen geradezu Euphorie. Daß sie „statt Golf spielen wohl eher den Golfwagen hinterherschieben“ dürfen, nehmen sie dabei in Kauf. Anfang Juni hatten sich 300 Arbeitsplatzbewerber in Massow eingetragen, eine Woche später waren es bereits 700.

„Grün tagen, grün wohnen, grün erholen“, verspricht die Interhotel ins Blaue und setzt noch eins drauf: Das Territorium solle „ökologisch aufgewertet“ werden. Vermutlich meinen die pfiffigen Marktstrategen damit auch eine geplante Rennstrecke für Go-Karts. Schulz: „Im Kreis Neuruppin fahren solche Wagen schon über Wiesen und Ackerflächen. Da wäre es doch sinnvoller, die hier auf der vorhandenen Ausbildungsstrecke fahren zu lassen, wo nichts mehr zu versauen ist.“

Nun, versaut und verbaut werden kann allerhand. Zum Beispiel das im Pachtvertrag enthaltene Gebiet um den Lebersee, Brutstätte und Durchzugsgebiet seltener Vogelarten. Eine Umweltgruppe kämpft darum, das etwa zehn Hektar große, erst jetzt der Bevölkerung frei zugängliche Gelände unter Naturschutz stellen zu lassen. Versaut werden kann auch das direkt ans Massow-Arsenal angrenzende Naturschutzgebiet „Klingespring“ am Tornower See. Noch kann niemand garantieren, daß die schon bald einsetzenden Touristenströme und die Bauwut der Unternehmen vor den letzten reizvollen Flecken in dieser Gegend Halt machen. Nicht nur Wochenendurlauber wie Lothar de Maiziere, der sich auf seiner Tornower Datsche vom Regierungsfrust erholt, hätten dann das Nachsehen.

Dirk Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen