: Fortlaufende Kiste: Alles drin
■ Lesebummel durch den neuen „Stint“, Bremens Literaturzeitschrift Nummer 7
Wie in anderen bremischen Viertelchen auch ist angenehm drin bummeln, im Büchlein, wo Literat und Literatin hausen, und heimelig raschelt's beim Spazierenlesen. Vor wenigen Tagen ist, verläßlich im Halbjahresschritt, der neue Stint erschienen, Bremens führende Literaturzeitschrift, mit immerhin schon der Numero Sieben, womit der Stint im Genreschnitt erfreulich weit gekommen ist. Vielleicht liegt's daran, daß man alle drin trifft.
Gleich am Anfang den Gerhard Ochs, den gußeisernen Kohlenbrennerschädel: „So zu schauen wie ich, ist leicht“. Der mit seinen Sätzen. Wie erbarmungslos zusammengestrichen alle, wie Inhaltsangaben tückischer Witze. Wenn einmal die Sprache knapp wird, werden wir ihn erst schätzen lernen, den Ochs, der so sparsam mit Wörtern wirtschaften kann.
Dann aber, habe die Ehre, gleich um die Ecke Gotthard Kuppel, der Feine. Die Geschichte von der
Großmutter Leichenwäscherin, Kuppel erzählt sie in gut handwarmer Sprache. Ganz nah sind die Dinge, und ganz klein sind wir. Kuppel kann was Schönes: die Welt groß machen.
Paar Schrittchen weiter schon hören wir Jürgen Alberts, wie er an dickleibigen Kulturentwicklungsplanbüchern kokelt mit einer Brandrede wider den Standort Bremen, so er nur seinem Standortvorteil hinterher ist und nicht der Literatur. Und er, der gemäßigt erfolgreiche Krimiautor? „Gestrandet zwischen ABM und IBM“, wo ja nunmehr alle Kultur mit Hauptwohnsitz gemeldet ist.
Und endlich auch eine Frau, Petra Kasch, mit einer dreifach verschnürten Kurzgeschichte über tote Küken und beendigte Kindheiten. Und Herbert Herrmann mit seinem Schwank „Herr Uhlig sitzt auf einer Bank am Hang“. Herr Uhlig sitzt und Frau Teichmann redet über ihn her, ist nichts als Quirligkeit von gewisser Majestät, eine geradezu infinitesi
male Existenz, Limes Null. Ein schöner Trick, der aus dem Zuhörer eine Hauptperson macht.
Was haben sie nicht für ein Surium gesammelt, die Stint -Macher, welche im Szene-Agglomerat Cafe Grün und umzu beheimatet sind. Frauen haben sie kaum gefunden, hoffentlich können sie beweisen, daß sie gesucht haben. Aber schöne Bilder sind im Stint und viel sorgsam gemetzte Lyrik aller gängigen Versmaße, auch maßlose, von Annette D. Gresing zumal und Lija Bridaka. Thomas Vanesta schreibt über „die Beschaffenheit der Zeit“ einen Text aus lauter klug gereihten Teilchen von Beobachtung. Nur leider kommen drin auch ein „weicher organischer Gang“ und eine „Kiste des fortlaufend Verlöschenden“ vor, und dafür würde ich meinen besten Freund verstoßen.
Aber das will ich gar nicht gesagt haben. Die Literatur, die in Bremen ihr Auskommen finden muß, die wollen wir lieben und ehren nach Kräften. Das ist schon das Mindeste. Den Stint gibt es überall für 12 Mark 80. scha
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Stint
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