Arbeitsplatz Auto

■ Die beschäftigungspolitische Bedeutung des Individualverkehrs

Arbeitsplatz Auto

Die beschäftigungspolitische Bedeutung

des Individualverkehrs

Von

MARKUS HESSE

ines der Hauptargumente für die (Auto-)Motorisierung des Bundesrepublik ist die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Straßenverkehrs. Nach Angaben der Automobilindustrie arbeitet ein Zehntel aller Industriebeschäftigten im Straßenfahrzeugbau, angeblich lebt jeder sechste vom Auto. Die politische Stoßrichtung dieser Aussage ist eindeutig: ein verkehrspolitischer Paradigmenwechsel beinhalte demnach ein hohes beschäftigungspolitisches Risiko.

Die Schlußfolgerung, daß nur das Auto Arbeitsplätze mit sich bringt und eine nicht-automobile Verkehrslandschaft verheerende Wirkungen auf den Arbeitsmarkt hätte (und deshalb alles so bleiben muß wie bisher), ist sehr kurzsichtig. Erstens gibt es offenbar doch ökologische Grenzen, die letztlich auch den PKW-Bau begrenzen werden (Vorsorge könnte also sinnvoll sein), zweitens gibt es schon heute erhebliche Personalfreisetzungen durch Rationalisierung und neue Techniken, und drittens besitzen auch die anderen Verkehrsträger, allen voran der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV), Beschäftigungsrelevanz.

Ein Blick in die Statistik klärt uns auf: 1987 hatten circa 470.000 Personen ihren Arbeitsplatz im Fahrzeugbau- und Reparaturbereich, 230.000 in der Herstellung von Kfz-Teilen, 50.000 bauen Sonderformen. Hinzu kommen Zulieferer, die in ihrer Abhängigkeit vom Auto nicht immer zu erkennen sind (z.B. Scheibenhersteller). Ihre Beschäftigtenzahl wird bundesweit insgesamt auf circa 550.000 geschätzt. Knapp 300.000 Menschen leben vom Handel mit Fahrzeugen, 45.000 besorgen den Service (Tankstellen). Macht per saldo für Produkte und Dienstleistungen rund ums Auto 1,7 Millionen Arbeitsplätze, 6,2 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Der kommunale ÖPNV hatte 145.000, die Eisenbahnen 300.000 Beschäftigte. Was die Beschäftigung angeht, dürften Straße und ÖPNV also ungefähr im Verhältnis 3,5:1 zueinander stehen (vor der Arbeitsplatzvernichtung bei der Bahn - die kaum gesellschaftlichen Protest hervorrief - sah dies übrigens noch anders aus). Das Produkt Automobil kommt auf einen abhängigen Arbeitsmarktanteil von knapp 5 Prozent - mithin jeder 20ste Arbeitsplatz. Von einer natürlichen Vormachtstellung des Autos kann also wohl kaum die Rede sein.

Ob sich das Auto mit all seinen Risiken auf einem Arbeitsmarkt der Zukunft durchsetzt, ist noch unklar. Im Jahre 30 der Massenmotorisierung wäre es vielmehr an der Zeit, mit Phantasie und neuen Ideen Auswege aus der Sackgasse zu finden. Dazu gehören sowohl sanfte Verkehrsmittel und ihre intelligente, flächendeckende Infrastruktur als auch ein angepaßtes, umweltverträgliches Individualverkehrsmittel. In den Denkfabriken der Automobilkonzerne läuft längst der Wettkampf um das absatzfähige Öko-Auto, mit dem der Markt von morgen stadtverträglich beliefert werden soll.

Zu dieser Strategie gehört jedoch auch eine ökosoziale Alternative. Deren Ziel wären nicht nur neue und sinnvolle Arbeitsplätze, sondern auch ein ökologischer Strukturwandel im Verkehr: weg von der Massenproduktion problematischer Erzeugnisse, hin zur Erstellung integrierter Pakete, die eine umweltschonende und sozial verträgliche Mobilität für alle sicherstellen.