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FDGB auflösen, Mitglieder einheimsen

■ Der taz wurden die Vermerke des DGB-Justitiars über die Übernahme des FDGB zugespielt / Von M. Kempe

Den westdeutschen Gewerkschaftsbund DGB giert es offenbar nach neuen Mitgliedern. Im Zuge der geplanten deutsch -deutschen Gewerkschaftsvereinigung sollen zwar sein ostdeutsches Pendant FDGB und die Einzelgewerkschaften aufgelöst werden, aber die Mitglieder sollen zunächst einmal ungefragt in die neue gesamtdeutsche Gewerkschaftsorganisation übernommen werden. Auch auf das Vermögen des FDGB hat der DGB ein Auge geworfen - aber was nach der Liquidation davon noch übrig bleibt, weiß der Geier.

Kaum hat der westdeutsche Gewerkschaftsbund DGB den Finanzskandal um die Neue Heimat mit der Auflösung dieses gewerkschaftseigenen Konzerns halbwegs abgeschlossen, muß er um eine neue Belastung seines Ansehens und seiner Finanzen fürchten. Die gesamtdeutsche Gewerkschaftsvereinigung droht nämlich zu einer schweren Belastung zu werden. Dies geht aus einem vertraulichen Vermerk des DGB-Justitiars Dr. Heinz Gester für die Mitglieder des Geschäftsführenden Bundesvorstandes hervor, in dem jener über ein Gespräch mit Vertretern und Rechtsexperten der DDR-Gewerkschaften am 21. Mai in Ost-Berlin berichtet.

In diesem Gespräch ging es vor allem um zwei Fragen: Wie soll sich die „Vereinigung“ der Gewerkschaften in Ost und West unter dem Dach des DGB vollziehen, und was geschieht in diesem Zusammenhang mit den Vermögenswerten der ehemaligen Staatsgewerkschaft, dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund?

Dabei stellte sich heraus, daß die Erblast des inzwischen politisch entmachteten FDGB für den DGB auf der Kostenseite auf Jahre hinaus schwer zu Buche schlagen kann, wenn er nicht nur politisch, sondern auch rechtlich keinen klaren Bruch zum FDGB und allen ihm zugeordneten Organisationen vollzieht. Insbesondere in bezug auf den drohenden Zusammenbruch des DDR-Feriendienstes, der dem FDGB gehört, zitiert Justitiar Gester in seinem Vermerk Stimmen, die von einem „Neue Heimat-Fall der DDR“ sprechen.

„Der FDGB ist tot, und das ist gut so“, hieß es beim DGB, nachdem die Chefs der DDR-Einzelgewerkschaften den letzten geschäftsführenden FDGB-Vorstand unter der Vorsitzenden Helga Mausch im April dieses Jahres entmachtet hatten. Seitdem ist die Strategie bei der Vereinigung der deutsch -deutschen Gewerkschaften klar. Der rechtlich noch bestehende FDGB wird sich im September auf seinem letzten Kongreß auflösen.

Gester hält in seinem Vermerk fest, worauf es dem DGB vor allem ankommt: „Der DGB ist weder politisch noch rechtlich 'Nachfolge'-Spitzenorganisation des FDGB.“ Auch die Einzelgewerkschaften der DDR werden sich auflösen unabhängig davon, ob es sich um gewendete alte oder nach der Wende neugegründete Gewerkschaften handelt (wie die ÖTV in der DDR).

Denn das Ziel ist nicht die organisatorische Vereinigung von Ost- und West-Gewerkschaften, sondern „die Aufnahme der DDR-Gewerkschaftsmitglieder in die jeweils zuständige DGB -Gewerkschaft“.

Man will die Mitglieder und einen möglichst großen Teil des Vermögens der DDR-Gewerkschaften einheimsen. Das vorhandene, zum großen Teil über lange Jahre SED-parteikonforme Personal möchte man jedoch nicht haben.

Wenn überhaupt Beschäftigte der DDR-Gewerkschaften übernommen werden, so werden sie nach politischen und qualifikatorischen Merkmalen gesiebt: „Ob und mit welchen ehemaligen Beschäftigten (hauptamtliche Funktionäre und sonstige Arbeitnehmer) der aufgelösten DDR-Gewerkschaft eine DGB-Gewerkschaft ein neues Beschäftigungsverhältnis und zu welchen Bedingungen eingeht, unterliegt der freien Entscheidung der DGB-Gewerkschaft.“

Weniger wählerisch sind die Gewerkschaften bei den zukünftigen Mitgliedern aus der DDR. Zu verlockend ist der außerordentlich hohe Organisationsgrad der DDR -Gewerkschaften, der auf Grund des Versicherungscharakters des FDGB in aller Regel über 90 Prozent liegt. Die Führer der DGB-Gewerkschaften und auch der DGB-Justitiar Gester wissen natürlich genau, daß die Mitgliedschaft im FDGB keineswegs freiwillig war, daß es sich politisch und sozial um eine Zwangsmitgliedschaft handelte. Trotzdem möchte Gester die Mitglieder der DDR-Gewerkschaften möglichst en bloc in die entsprechenden Schwesterorganisationen des DGB übernehmen.

Die DDR-Gewerkschaften, so schlägt er vor, sollen in ihrem Auflösungsbeschluß bestimmen, „daß alle Mitglieder der sich auflösenden Organisation bei der aufnehmenden DGB -Gewerkschaft als neue Mitglieder aufgenommen gelten“. DDR -Beschäftigte können sich also nicht persönlich und positiv für den Beitritt in die DGB-Gewerkschaft entscheiden, sondern sie müssen gegen ihre automatische Übernahme Widerspruch einlegen. Gester schlägt dafür eine Frist „nicht unter einem Monat“ vor.

Die meisten DGB-Gewerkschaften haben sich inzwischen auf diese Form der Landnahme in der DDR festgelegt. Und ihre Partnergewerkschaften im Osten folgen ihnen allem Anschein nach auf diesem demokratisch fragwürdigen Weg in die Gewerkschaftseinheit.

Nur die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) will anders verfahren. Sie hat mit ihren „Partnerorganisationen“ in der DDR vereinbart, daß diese ihren Mitgliedern bei der Auflösung zwar einen Beitritt in die ÖTV „empfehlen“ sollen, aber beitreten müssen die zukünftigen Mitglieder der gesamtdeutschen ÖTV schon selbst.

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