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Altes Denken

Ion Iliescu ist zur Belastung für Rumänien geworden  ■ K O M M E N T A R

Wenn er doch nur so geblieben wäre: als „bescheiden und hilfsbereit“ charakterisieren Mitarbeiter des Bukarester Wasserbauamtes ihren ehemaligen Chef, der bis zur Revolution des 22. Dezember an ihre Behörde strafversetzt war. Ion Iliescu, seit gestern neuer Präsident Rumäniens, der sich 1971 mit Ceausescu wegen dessen Kursänderung in Richtung Totalitarismus überworfen hatte, konnte sich bis vorige Woche tatsächlich auf die Sympathie der überwältigenden Mehrheit der Rumänen stützen. Sein überragender Wahlsieg am 20. Mai war nicht nur Ausdruck für sein Ansehen bei den Arbeitern und Bauern, die nicht viele durchgreifende gesellschaftliche und wirtschaftliche Experimente wünschen, sondern auch Ausdruck für die Unterstützung durch die auf Modernisierung der Gesellschaft drängenden städtischen Mittelschichten. Sein bei den Präsidentschaftswahlen weit über dem der „Front zur nationalen Rettung“ liegendes Wahlergebnis zeigt nämlich auch, daß ihm der versprochene Aufbau eines „demokratischen Sozialismus“ von der Bevölkerung abgenommen wurde.

Weil Iliescu seit dem Aufmarsch der Bergarbeiter in Bukarest von der Intelligenzja des Landes nicht mehr mit Dubcek, sondern eher mit seinem Vorgänger Ceausescu verglichen wird, hat ein Stimmungswandel begonnen, der an der bisher unbestrittenen Führungsrolle des Wahlsiegers zu nagen beginnt. Denn seine Haßtiraden auf die demokratische Opposition, die Beschwörung einer „faschistischen“ Gefahr, die er mit einer Provokation im Stile des „Reichstagsbrandes“ beweisen wollte, zeigten ein so hohes Maß an „Altem Denken“, wie es ihm auch seine erbittertsten Gegner nicht zugetraut hätten. Wer mit SA-Methoden die Hauptstadt säubern will, paßt objektiv nicht mehr in die politische Landschaft eines sich erneuernden Europas.

Indem Iliescu den alten, zwar etwas abgespeckten Sicherheitsapparat und die Ideologie des Totalitarismus in den neuen Staat überführte, ist er zum Hemmschuh für die Entwicklung Rumäniens zur Demokratie geworden. Und, was eben so schwer wiegt, er ist jetzt ein Hindernis für die Integration des Landes in den europäischen Annäherungsprozeß. Indem er wirtschaftliche Boykottmaßnahmen der westlichen Länder und der Europäischen Gemeinschaft provozierte, hat er seinem Land einen Bärendienst erwiesen. Die immer noch bedrückend schlechte Versorgungslage, die katastrophale wirtschaftliche Situation erzwingen auch in Rumänien die Abkehr von den Methoden der stalinistischen Kommandowirtschaft. So ist es nicht verwunderlich, wenn sich jetzt schon Risse in der Einheit der „Front“ zeigen. Die pragmatischen Kräfte in dieser Partei, in der Regierung und in der Armee werden sich über kurz oder lang von Iliescu lösen müssen. Schon in den nächsten Wochen wird sich ihre Stärke oder auch Schwäche zeigen. Ob der von vielen Intellektuellen des Landes ersehnte Militärputsch die richtige Lösung wäre, bleibt wegen der unklaren politischen Ausrichtung des Militärs aber fraglich.

Erich Rathfelder

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