: DDR: Refugium oder Stützpunkt für die RAF?
■ Die Zweifel an der These, daß die „Rote Armee Fraktion“ aus der DDR heraus operiert habe, nehmen zu
Acht ehemalige Mitglieder der „Roten Armee Fraktion“ (RAF) wurden bisher in der DDR verhaftet, wo viele von ihnen seit zehn Jahren lebten. Politiker beider deutschen Staaten haben in den letzten Tagen behauptet, die RAF habe die DDR nicht nur als endgültigen Ruheplatz, sondern auch als Operationsbasis benutzt. Doch diejenigen, die Honecker und Mielke der direkten Unterstützung der RAF beschuldigten, haben bisher keine Beweise vorlegen können. Ihre These stützt sich im wesentlichen auf sogenannte Wiedererkennungszeugen.
Die Serienfestnahme versprengter RAF-Pensionäre der ersten und zweiten Generation in der DDR sorgt auf beiden Seiten der bröckelnden Grenze für Turbulenzen. Letztes Beispiel: NRW-Justizminister Rolf Krumsiek (SPD) will die Herren Honecker, Mielke und Wolf überwältigen lassen, sobald sie sich an der Landesgrenze blicken lassen: wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“. Doch Krumsiek agiert auf wankendem Boden. Denn die zentrale Frage in diesem Zusammenhang ist nicht beantwortet: Hat das Honecker-Regime sich lediglich RAF-Aussteigern als Refugium angeboten oder auch aktiven Kämpfern als Basislager gedient? Die Öffentlichkeit wird Zeugin eines allmählichen Rückzugs. Am vergangenen Wochenende schien die Sache schon einmal entschieden. 'Bild‘ - und nicht nur sie - kannte die Antwort: „Honecker schickte uns die RAF-Mörder“. Zum Beleg nahm man Haftbefehle, in denen einigen der in der DDR Verhafteten Anschläge zur Last gelegt wurden, die zeitlich nach ihrer Einbürgerung lagen.
Werner Lotze geriet als erster unter Verdacht, noch nach seiner Einbürgerung um 1980 aktiv gewesen zu sein. „Die Hinweise und Indizien auf Lotze sind eindeutig“, berichtete die 'Süddeutsche Zeitung‘. Die Sachlage lasse nur den Schluß zu, der Mann habe „mit Wissen und Billigung des Stastssicherheitsdienstes, vielleicht sogar mit dessen Unterstützung, Terror in der Bundesrepublik verübt“. Vorgeworfen wurde Lotze der Mord an MTU-Chef Ernst Zimmermann im Jahr 1985. Hans-Jürgen Förster, dem alten Sprecher des neuen Generalbundesanwalts, scheint die Inbrunst etwas peinlich, mit der da Falschmeldungen auch in ansonsten als seriös geltenden Gazetten verbraten wurden. Gegen Lotze bestehe im Zusammenhang mit dem Zimmermann -Anschlag kein „dringender Tatverdacht“. Demzufolge gebe es auch keinen Haftbefehl, der sich auf die Zeit nach seiner Einbürgerung beziehe.
Drei der jetzt Inhaftierten werden tatsächlich mit Haftbefehlen gesucht, die sich auf Taten nach ihrer Einbürgerung gründen: Henning Beer, Ekkehard von Seckendorff und Sigrid Sternebeck. Alle drei jedoch behaupten übereinstimmend, sie hätten die DDR seit ihrer Einbürgerung nicht mehr verlassen, schon gar nicht, um weiter Anschläge zu verüben und dann wieder zu ihren Familien zurückzukehren.
Beer soll an einem gescheiterten Sprengstoffanschlg in Rota bei Cadiz (Spanien) am 17. Juni 1988 beteiligt gewesen sein. Bei einer Verfolgungsjagd im Anschluß an den versuchten Anschlag kam es zu einer wilden Schießerei, bei der jedoch niemand verletzt wurde. Von Seckendorff wird verdächtgt, bei einem Überfall auf eine Zweigstelle der Städtischen Sparkasse Würzburg am 26. März 1984 dabeigewesen zu sein. Sigrid Sternebeck schließlich soll an der auch in der RAF -Sympathisantenszene umstrittenen Ermordung des US -amerikanischen GIs Edward Pimental in der Nacht zum 8. August 1985 bei Frankfurt beteiligt gewesen zu sein. Mit Pimentals Identitätskarte verschaffte sich das Kommando anschließend Zugang zur US-Airbase, um dort eine Autobombe zu plazieren. Bei der Explosion kamen ein Soldat und eine Hausfrau ums leben.
Eines, erklärte Förster jetzt gegenüber der taz, hätten alle drei Haftbefehle gemein: Sie stützten sich im wesentlichen auf sogenannte „Wiedererkennungszeugen“. Nach Anschlägen, die auf eine RAF-Urheberschaft schließen ließen, habe man „die Gelegenheit genutzt, die Verdächtigen noch mal zu zeigen, die wir sowieso schon seit Jahren suchen“, sagte Förster. Ob die Zeugen, die die drei erkannt haben wollen, sich täuschen oder die Inhaftierten lügen, müßten nun die weiteren Ermittlungen ergeben. Nach den Festnahmen hat die DDR inzwischen mit eigenen Ermittlungen begonnen.
Das Ergebnis wird praktische Auswirkungen haben, insbesondere für Ekkehard von Seckendorff und Sigrid Sternebeck. Beiden wird neben den genannten Anschlägen nur die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Dieses Delikt wäre in ihrem Fall verjährt.
Gerd Rosenkranz
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