: Things that money can buy
Sicherheit kann nicht durch Kredite erkauft werden ■ K O M M E N T A R E
Die Ankündigung der Bundesregierung, für einen frei verwendbaren 5-Milliarden-Kredit an die Sowjetunion bürgen zu wollen, kam termingerecht zur Vier-plus-zwei-Konferenz. Deutlicher hätte Kohl nicht dokumentieren können, daß er mit einem Barscheck die sowjetische Zustimmung zur Nato -Mitgliedschaft des vereinten Deutschland kaufen möchte. Hier über Stilfragen zu reden ist indes ganz müßig. Die Bundesregierung versichert uns, die ökonomische Situation in der Sowjetunion und damit Gorbatschow stabilisieren zu wollen. Gegen diese Absicht ist wenig einzuwenden, auch wenn - den gegenwärtigen Zustand der sowjetischen Planungs- und Entscheidungsprozesse vorausgesetzt - die Milliarden in den Sand gesetzt sein dürften. Fatal an dem Geschäft ist nicht der Geldsack, sondern was dafür eingetauscht werden soll: die Mitgliedschaft Deutschlands in der integrierten Kommandostruktur der Nato. Lassen wir für einen Augenblick beiseite, daß uns demnächst eine Umpolung der Nato-Strategie auf Nord-Süd-Konflikte bevorsteht.
Die bloße Existenz eines militärisch-bürokratischen Riesenkomplexes, der eben nicht in einem neuen europäischen Sicherheitssystem aufgeht, wird sich für die Reformkräfte in der Sowjetunion als möglicherweise tödliche Bedrohung herausstellen. Sie wird den Nationalisten und Militaristen, die „Bis hierher und nicht weiter“ rufen, die massenhafte Unterstützung verängstigter und in ihrem Stolz verletzter Menschen bringen. Schon jetzt müssen sich Gorbatschow und Schewardnadse gegen massive Vorwürfe von Teilen der Konservativen innerhalb der Machtelite zur Wehr setzen, die ihnen vorwerfen, sie hätten leichtfertig die sowjetische Vorherrschaft über Osteuropa verspielt.
Ungleichgewichte dieses Ausmaßes können nicht durch Kredite und die rituelle Zusicherung friedlicher Absichten beseitigt werden. Mehr als einmal hat Gorbatschow davor gewarnt, der Sowjetunion ein neues Versailles zu bereiten. Dem Diktat, unter das sich die sowjetische Führung jetzt zu beugen scheint, fehlen die Härte und Unbarmherzigkeit seines historischen Vorbilds. Aber seine Folgen könnten sich gleichermaßen als katastrophal erweisen.
Christian Semler
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