Nun herrscht Ruhe

■ Gericht: Noch drei Wochen Frist, dann muß unbequemer Rentner wegen Hungerstreik Seniorenheim räumen

West-Berlin. Die taz berichtete im Mai über die Hungerstreikaktion des Rentners Erich Gröger vor dem Rathaus Tempelhof. Er protestierte gegen die „fehlende Mitbestimmung und Willkür der Heimleitung“ in dem von ihm bewohnten Seniorenheim Lerchenweg in Tempelhof. Gestern wurde vor dem Amtsgericht Neukölln die inzwischen von der Heimleitung „aufgrund der Demonstration“ beantragte Räumungsklage verhandelt.

Auslöser des Streits zwischen Gröger und Heimleitung war sein zu spät ausgezahltes Taschengeld und ein von ihm als Reaktion darauf angebrachtes Protestschreiben am Schwarzen Brett. Dem folgte auf dem Fuße die Androhung der fristlosen Kündigung wegen „Unruhestiftung und Stimmungsmache“. Der unter anderem auch für die Klärung solcher Konflikte gesetzlich vorgeschriebene Heimbeirat existiert im Haus Lerchenweg nicht. Auch der Richter warf nun gestern Gröger Stimmungsmache vor und war dann ziemlich erleichtert, als die streitenden Parteien dem von ihm vorgeschlagenen Vergleich zustimmten: Dieser räumt Herrn Gröger noch drei Wochen Frist im Seniorenheim ein und verpflichtet ihn, „bis zum Verlassen des Heimes von weiteren Protestaktionen durch Aushängen von Plakaten und ähnlich gearteten öffentlichen Protestaktionen Abstand zu nehmen...“ Der Geschäftsführer des Seniorenheims, Herr König, schien äußerst zufrieden mit dem Ergebnis, „muß“ doch nach seiner Auffassung im Heim „Ruhe herrschen“. Der Richter beglückwünschte die Parteien, daß es „so relativ problemlos über die Bühne gegangen ist“. In der Tat hat Gröger auch keine Lust mehr, weiter im Seniorenheim Lerchenstraße zu wohnen. Den Vergleich angesichts der Tatsache, daß Gröger einstweilen keine Ersatzwohnung in einem Seniorenheim gefunden hat, als „problemlos“ zu bezeichnen, grenzte an Zynismus. Denn wo der unbequeme Rentner nun wohnen soll, weiß keiner.

Sigrid Bellack