: Überflüssiger Rehabilitationsversuch
Zur späten Einvernahme des „roten Pressezaren“ Willi Münzenberg durch die PDS / Man versucht seine Geschichte zu glätten - er wäre nicht in die SED eingetreten ■ Von Christian Semler
Daß eine Partei wie die PDS, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit die ideologische und organisatorische Bindung an ihre Vorgängerpartei verleugnet, jetzt den Parteiausschluß Willi Münzenbergs vom März 1939 durch die KPD aufgehoben hat, enthüllt ein schwer lösbares Dilemma. Den Trümmerschutt der revolutionären deutschen Arbeiterbewegung durchwühlend, will man aus weggeworfenen und zerstörten Idolen eine neue Tradition, ein neues Weltbild konstruieren. Das 'Neue Deutschland‘ (ND) druckte jetzt Münzenbergs leidenschaftliches Bekenntnis zu einer künftigen demokratischen und sozialistischen Einheitspartei. Aber dieses Manifest, voller Illusionen gegenüber der Zukunft wie voller Halbheiten gegenüber der wirklichen Geschichte der kommunistischen Bewegung, war nie eine Alternative zur offiziellen kommunistischen Politik. Es brach weder mit dem gescheiterten Konzept der dritten Internationale noch mit dem „Vaterland aller Werktätigen“. Der optimistische Tenor, die Kampfgemeinschaft mit Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die Münzenberg in seinem „Testament“ beschwor, verrät nichts von seiner vollständigen gedanklichen Isolation, seiner tiefen Enttäuschung und Verzweiflung. Anders als viele Genossen hatte es Münzenberg abgelehnt, zum Rapport nach Moskau zu fahren - wohl wissend, was ihn dort erwartete. Er war mit der Sowjetunion fertig. Falls er noch gelebt hätte, hätte er ebensowenig wie Brandler oder Thalheimer auch nur erwogen, nach '45 in die Karrikatur einer Einheitspartei namens SED einzutreten.
In ihrem Rehabilitationsverfahren versucht die PDS, die Geschichte eines bedeutenden, widersprüchlichen Menschen zu glätten. Münzenberg, bekannt als Organisator der Hungerhilfe für Rußland und Chef des nach ihm benannten Presse-Imperiums zu Zeiten der Weimarer Republik, war kein „mutiger Widersacher Stalins“ (ND). Als man ihn umbrachte, begann er gerade, sich vom „stalinschen System“ zu lösen. Daß der sowjetische Geheimdienst ihn tötete, ist übrigens nicht, wie das ND meint, nur eine Möglichkeit „die einige Historiker nicht ausschließen“. Dafür sprechen vielmehr erdrückende Indizien, auf die ebendiese Historiker hingewiesen haben.
Nichts spricht dagegen, wenn die PDS posthum Gerechtigkeit gegenüber einem verleumdeten Revolutionär üben will. Aber nichts gibt ihr das Recht, ihn durch den förmlichen Beschluß eines Parteigremiums in die Reihen der PDS-Ahnen zwangszurekrutieren. Übrigens wäre es das mindeste gewesen, wenn dieses kuriose Rehabilitierungsgremium seine Bemühungen auch auf den Kreis der Mitarbeiter Münzenbergs ausgedehnt hätte, von denen einige nach 1945 Opfer der summarischen Stalinschen Justiz wurden. Es wäre nicht mehr als billig gewesen, deren Nachkommen materiell zu entschädigen.
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