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Sarafina!

■ „Broadway Sommerfestival“ in Köln eröffnet

Sarafina! wird mit Ausrufezeichen geschrieben und setzt sich für eine guten Sache ein: die politische Gleichberechtigung der Schwarzen in Südafrika. Sarafina! feiert die HeldInnen des Kampfes - die namenlosen Schüler in Soweto, Steve Biko, Winnie und Nelson Mandela. Sarafina! wurde von Mbongeni Ngema geschrieben, der 1955 bei Durban geboren wurde und dort in den Slums aufwuchs. Sarafina! ist die positive Heldin des Musicals der Befreiung, die Musterschülerin der Freiheit, und verfügt über eine Stimme wie eine Säge: Seipati Sothopane.

Es ist ein lakonischer Bericht vom Schülerkampf gegen den Gewaltapparat und gegen die Ideologie des Burenstaates, parolendurchwirkt und mit eingängiger Musik unterlegt. Es ist eine Darstellung ganz aus dem Blickwinkel der Betroffenen: eine Anklage gegen das fortdauernde Unrecht und die Grausamkeiten der Unterdrückung. Es ist in klarer Prosa abgefaßt und nennt Bespitzelung, willkürliche Verhaftungen, Folter, Vergewaltigung, tausendfaches Leid und Justizmord beim Namen.

Es ist eine Geschichte, in der eine Schulklasse Herr über die eigene Geschichte zu werden beansprucht, und mit der zugleich die Lebensfreude im Überlebenskampf geschildert wird. Es ist ein außergewöhnliches Musical, in das die Wirklichkeit eines Polizeistaates vordrang und in dem die jungen Leute ihre eigenen Erfahrungen durch Theaterspielen zu verarbeiten suchen. Es ist ein hohes Lied auf die Kampfbereitschaft und ein Klagegesang auf die vielen Opfer des Alltags und des Widerstandes.

Diese Produktion stammt vom Lincoln Center Theater in New York und entstand in Zusammenarbeit mit den - aus Ngemas Arbeit hervorgegangenen - Committed Artists Johannesburg. Diese Produktion zeigt ihr Anliegen mit einfachen Mitteln, viel geballten Fäusten und in die Luft geschleuderten Armen, vor einem stacheldrahtgekrönten Maschenzaun, hinter dem die Band auf einem derangierten Panzer kämpft. Diese Produktion appelliert von Anfang bis Ende an unser Mitgefühl, weniger an die politische Einsichtsfähigkeit und kaum an den Kunstverstand. Diese Produktion ist für ein Massenpublikum gedacht; bei der Premiere zum Auftakt des Kölner Broadway Sommerfestivals aber fanden sich nicht viel mehr ein als zu einem Kagel -Konzert.

Diese Produktion wurde von einer Hamburger Wochenzeitung als das erfolgreichste Musical, das es je gab, gefeiert

-aber sie kommt wohl doch nicht so sensationell an, wie die Betreiberseite behauptet. Diese Produktion demonstriert ganz selbstverständlich, daß der Marxismus als Geburtshelfer des eines „neuen Afrika“ out ist, und sie suggeriert, daß die Hebamme der Freiheit die durch und durch amerikanisierte Unterhaltungskultur sei.

O Sarafina! Wir würden deinen Worten noch viel lieber lauschen, wenn sie die Widersprüche der Wirklichkeit auch nur ein wenig benennen könnten und nicht mit einer derart aufbereiteten Musik einherkämen! Oja, Sarafina, dein Anliegen erschiene uns ungleich glaubhafter, wenn deine Produktion nicht zum Sieg im Volkstanz überginge und du dir mitsamt deinen MitspielerInnen nicht solch lächerlich folkloristischen Fummel angezogen hättest.

Ach Sarafina! - vielleicht muß sich eine Heldin der Freiheit heute ja dergestalt kostümieren (in Bild und Ton), und vielleicht bist du doch die Protagonistin des „richtigen“ Bewußtseins in all dem falschen. Aber auch nur vielleicht.

Frieder Reininghaus

Sarafina! Noch bis zum 8.7., täglich um 20 Uhr, sonntags auch am Nachmittag, in der Kölner Philharmonie.

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