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Neu im Cinema: „Wedding“ von Heiko Schier

■ Mühe genug?

Berlin-Wedding, das sind über 10.000 Einwohner pro Quadratkilometer, je 10 Prozent Grünen-und Republikanerwähler, 839 Kneipen und das ehemalige taz -Domizil in der Wattstraße. Wedding ist auch der Titel der ersten Kinoarbeit von Heiko Schier. Wer nun vermuten sollte, da hätte einer eine Wortspielerei mit dem englischen Wort für Hochzeit versucht, irrt gewaltig. Aber was wesentlich schwerer wiegt, mit dem Berliner Stadtteil hat der Film auch nichts zu tun.

Wedding ist mit einem winzigen Etat von 400.000 Mark in nur 18 Tagen gedreht worden, das ist dem Film anzusehen. Regisseur Schier verzichtete fast völlig auf schmückendes Beiwerk, sowohl bei den Aufbauten als auch bei der Besetzung. Weil er sich auf drei Akteure konzentrieren wollte und die Zeit knapp war, begnügte sich der Debütant mit einem Drehbuch-Skelett der Marke „dürr, durchsichtig und an allen Ecken klappernd.“

Susanne (Angela Schmid-Burgk) arbeitet als Einbauküchen -Verkäuferin und ist unglücklich verheiratet. „Sulle“ Sulawski (Harald Kempe) jobbt sich so durchs Leben, hat eine große Klappe und ist auf der Flucht vor dem Gerichtsvollzieher. Markus (Roger Hübner) ist Streifenpolizist mit Karrierevorstellungen und steht kurz vor der Heirat. Nachdem uns Anfänger Schier brav seine Hauptakteure vorgestellt hat, könnte es eigentlich losgehen. Doch wo die Drehbuch-Stränge zu einer kompakten Geschichte zusammenwachsen müßten, langweilt uns der Ex -Theaterdramaturg und Film-Produktionsleiter mit dahingesprenkelten Handlungs-Tupfern, die aus einem Würfelbecher zu stammen scheinen. Einige dieser Zufallswürfe: Sulle verliert seinen Job und flüchtet zu einem alten Fabrikgelände, wo er als Junge mit seiner Clique die Freizeit verbrachte. Susanne wird am Arbeitsplatz von ihrem eifersüchtigen Ehemann verdroschen und macht sich aus dem Staube. (Auf's Fabrikgelände, natürlich). Markus verfolgt einen Mann, der zuvor sein Kind mit einem Küchenmesser bedroht hat. Es ist Susannes Ehemann und Markus erschießt ihn in Panik. Wo soll der arme Bulle nach dieser Tat nur hin? Logisch, zur alten Fabrik. Jede möchte jott wee dee mit den Problemen des Lebens fertig werden. Deshalb schläft Susanne mit Markus, Sulle trinkt viel Bier, und gemeinsam klauen sie Sulles gepfändeten Wagen.

Nach etwa neunzig Minuten will Sulle mit seinem Auto verzweifelt gegen Die Mauer fahren, aber das Benzin ist alle. Das Geld der Produktion war wohl auch alle, und so bleibt neben der Enttäuschung nur eine Erkenntnis. Mühe allein genügt nicht. Jürgen Franck

Cinema, 21 Uhr

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