Das letzte Abenteuer

■ Um nach Mallorca zu kommen, genügt als Vorbereitung ein Gang ins Reisebüro. Nicht so, wenn's exotischer sein soll: Um bei der 200-Jahr-Feier in Pitcairn dabeizusein, mußte Ulli Kulke ganz schön Nerven investieren...

Um nach Mallorca zu kommen, genügt als Vorbereitung ein Gang ins Reisebüro. Nicht so, wenn's exotischer sein soll: Um bei der 200-Jahr-Feier in Pitcairn dabeizusein, mußte

ULLI KULKE ganz schön Nerven investieren - vom Geld schweigen wir erblassend.

enn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. Wer auf die Pazifikinsel Pitcairn will, bekommt Erlebnisse satt, schon wenn er die Reise nur plant. David Stanley, der Verfasser des Südseehandbuches, weiß, wovon er spricht, wenn er empfiehlt, mindestens ein Jahr im Voraus die Aufenthaltserlaubnis beim Inselrat Pitcairns zu beantragen. Ansonsten würde dies Begehr gar nicht ernst genommen. Last -Minute oder Spontanreisen auf die Insel der Meuterer - ein Trip der Unmöglichkeit.

Hilfreich bei der Planung ist auf jeden Fall ein enger Kontakt zu einem Amateurfunker, der regelmäßige Verbindungen mit einem seiner drei, vier Kollegen auf Pitcairn unterhält. Über diesen Kontakt war zunächst die Information zu erhalten, welche Schiffahrtslinien überhaupt gelegentlich vor der Insel einen „Stopover“ einlegen: Regelmäßig nur eine, nämlich jene, die auch den vierteljährlichen Postverkehr unterhält. Ein Anruf im Frühjahr schien zu früh: Noch war überhaupt nicht abzusehen, wann im Dezember einer ihrer Ozeanriesen Auckland verlassen würde. Eine Warteliste gab es nicht: „Rufen Sie im Herbst wieder an.“

Sicherheitshalber empfahl sich eine Parallelplanung über Tahiti und Mangareva, in der Hoffnung, daß von dieser „Nachbarinsel“ (500 km entfernt) eine Passage zu ergattern wäre. Niemand konnte schließlich garantieren, daß es mit dem Dampfer von Auckland auch klappt - und schon gar nicht, wann. Aber auch über die Ersatzroute war eher Unsicheres zu hören: Nur einmal pro Monat Flugverbindung Tahiti-Mangareva, und dann auch noch bisweilen komplett vom französischen Militär okkupiert. Ticketbestellungen waren noch nicht möglich. Der Flugplan sei noch nicht raus, hieß es aus Papeete. Im übrigen sei der australische Einhandsegler, der von Pitcairn aus nach Mangareva und wieder zurück schippert, vorerst spurlos verschwunden, hatte der Funker gehört.

Dann im Sommer der doppelte Tiefschlag: Der hilfsbereite Funker meldete, daß die Pitcairner keinen mehr über Französisch-Polynesien (Tahiti) auf ihre Felsenburg lassen: Das dort herrschende, durch Mücken übertragene Denguefieber wolle man sich nicht auf die Insel holen.

Nun hieß es also erst recht auf Nummer sicher gehen, nämlich auf der Schiene Auckland-Pitcairn. Vorfristig also bereits im Juni einen Anruf bei der Schiffahrtslinie tätigen, wie es denn so aussehe. Die Antwort: Abfahrt des Schiffes am 7.12. sei zwar schon seit längerem klar, aber sämtliche Passagierplätze des Frachters zur Verteilung an den britischen High-Commissioner in Neuseeland vergeben. Dessen Antwort wiederum war niederschmetternd: Von dem guten Dutzend Kabinenplätze seien zehn für die Verwandtschaft der Pitcairner reserviert, um den Rest balgten sich schon jetzt rund 27 Reisewillige. Eine Warteliste gebe es jetzt, aber das sei doch wohl zwecklos.

as nun? Schwimmen? Ein eigenes Boot chartern? Fragt sich nur von wo, wenn ganz Französisch-Polynesien fieberbedingt tabu ist? Der mitfühlende Funker fragt mehr als einmal bei seinen Kollegen in Pitcairn an, welche Schiffe sich denn noch zur 200-Jahr-Feier angemeldet hätten. Antwort: Noch keine Ahnung, aber es gebe irgendwo in den USA eine Gesellschaft, deren Segelschiffe hin und wieder Pitcairn anliefen wochenlange Fahndungen folgten. Die Frage, wie sicher eigentlich unter all diesen Umständen eine Rückfahrt zu organisieren sei, wenn man erst mal vor Ort ist, stellt man sich lieber erst gar nicht.

Schließlich kam die erlösende Nachricht, das Denguefieber sei eingedämmt. Die Schiene Tahiti-Mangareva-Pitcairn war wieder offen. Und plötzlich war auch Carl Lupscombe, der australische Einhandsegler, wieder aufgetaucht. Er habe sich jetzt in Mangareva niedergelassen und biete einen Shuttle -Dienst nach Pitcairn an: „Aviva Boat Charters“. Ein Brief an Carl, und nach vielen Wochen kam tatsächlich Antwort: Alles klar auf der Aviva, Kostenpunkt aber 2.000 US-Dollar. Immerhin, wenn man noch drei andere Passagiere fände, wäre es recht preiswert. Doch noch während der Suche nach Mitreisenden war dann bei der Aviva plötzlich alles so klar wie auf der Andrea Doria: Anruf eines Funkers aus England: „Aviva is gone, out, broken into pieces.“ Carl hatte seine Aviva an den Felsen vor Pitcairn zerschellen lassen.

Per Telefax kam Tage später unverhofft ein Hinweis aus den Norfolk-Inseln. Die Verwandtschaft der Pitcairner daselbst plane eine Fahrt zu den Feierlichkeiten und habe von Mangareva noch mehrere Plätze frei. Kostenpunkt für die Norfolker ab ihrer Heimat und zurück samt mehrerer Flüge und Hotelaufenthalte zwischendurch: umgerechnet etwa 3.500 D -Mark. Da kann es von Mangareva nicht allzu teuer sein. Doch Pustekuchen: Inzwischen hatte ein US-Unternehmen auch die Organisation dieses Trips unter seine Fittiche genommen. Und nun hieß es pro Person (insgesamt 34) für zwei Tage Schiff hin und zwei Tage Schiff zurück von Mangareva: 3.500 US -Dollar.

in letzter verzweifelter Versuch folgte Ende November beim High-Commissioner mit seinen zwölf Frachtschiffplätzen am 7.12. ab Auckland. Antwort: Nichts zu machen. Es blieb also nur mehr das unverschämt teure US-Unternehmen über Tahiti und Mangareva.

Inzwischen hatte der Reporter sich ein dickes Fell angesichts all dieser Höhen und Tiefen der Reiseplanung angeeignet. So konnte er über die im Dezember plötzlich einlaufende Nachricht des Funkers, das Dengue-Fieber blockiere wieder die Schiene Tahiti-Mangareva, erstmal nur lachen. Etwas abgeschwächt hieß es dann, man dürfe zwar über Tahiti einreisen, aber nur im Transit. Da war es also nichts mit den paar Tagen Urlaub in Tahiti vor dem endgültigen Trip nach Pitcairn. Also eine erneute vorsichtige Anfrage bei der freundlichen Frau vom Reisebüro, die schon mehrere Dutzend Male den Flug Berlin-Tahiti umdisponieren mußte: Ob man nicht erst ein paar Tage später losfliegen könne, so daß man gerade pünktlich zum Abflug nach Mangareva am 30.Dezember vor Ort sei. Die freundliche Frau beginnt die Stirn zu runzeln - verständlicherweise. Aber es geht. Sollte nun alles nach Plan laufen?

Mitte Dezember dann ein Telefax aus den USA: Man kriegt die ganze Norfolk-Verwandtschaft nicht im Flugzeug Tahiti -Mangareva unter. Der Flug wird um knapp drei Wochen verschoben auf den 19.Januar - wenn die Feierlichkeiten auf Pitcairn schon längst im Gange sind. Die neue Lage: Vor diesem Termin durfte sich der Reporter nicht auf Tahiti aufhalten und nach ihm mußte es dringend nach Hause gehen 14.000 D-Mark also für läppische zwei Wochen Pitcairn nach einem Jahr Nervenkrieg?

Ein Blick auf die Karte brachte schließlich doch noch die Lösung: Ausweichurlaub auf den Cook-Inseln. Das machte die Gesamtkosten zwar nochmal um gut tausend Mark teurer, sorgte aber für eine Dengue-fieberfreie Anreise. Soll der Reporter jetzt noch erzählen, was er während der gepäcklosen Tage (der Koffer war in Paris hängengeblieben) auf Rarotonga, der Hauptinsel der Cooks, anfing? Bedeutsamer war da schon die Tatsache, daß er auf Pitcairn einen Australier traf, der im September beim High-Commissioner nach einer Passage auf dem Frachtschiff nachfragte - und sie aus dem Stand prompt zugesagt bekam.