: Christopher-Street-Day '90
Ein wenig wie Muttertag oder Tag der Arbeit, bloß flippiger, bunter, sommerlicher. Eine nette Pflicht-Latsch-Demo halt, auch für die Medien. 15.000 zogen durch des friedlichen Charlottenburgs propere Straßen und ließen sich von den dort hausenden wohlwollenden Yuppies bewundern. Wer über diesen fundamentalen Fehler hinwegsah, erlebte am Sonnabend Berlins bislang größte und eindrucksvollste CSD-Demo mit Spitzenstimmung und viel, viel Selbstbewußtsein. Völliger Absturz allerdings die Kundgebung am ungeeigneten Breitscheidplatz: Senatorin Anne Klein hielt eine langweilige Rede, bekam erboste (Lesben-)Pfiffe, Moderator Ades Zabel langweilte zum 257. Mal mit seiner hinlänglich bekannten (unfreiwilligen?) Parodie eines Moderators, ein Redner aus dem besetzten Tuntenhaus versuchte das ganze überfallartig und zusammenhanglos zur RAF-Solidaritätsaktion umzukippen und erhielt ein verdientes Pfeifkonzert. Und die Lesben schob das Bühnenmanagement kurzerhand völlig idiotischerweise in Richtung Ende der Veranstaltung ab, was die nun hoffentlich besagtem Management und nicht den Schwulen als solchen anlasten - und nächstes Jahr dennoch pflichtgemäß wieder zur Familienfeier erscheinen. Dann hoffentlich in Ost-Berlin, mit ganz vielen Ostberliner Lesben und Schwulen im Zug und vorbei an Ostberliner BürgerInnen, die so etwas noch nie gesehen haben - auf daß man die verkleideten Gegendemonstranten zum „Schwule raus„ -Brüllen nicht mehr selbst mitbringen muß.
tom
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