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„Der Gegner ist im Moment die SPD“

■ Ein Interview mit der neuen niedersächsischen Frauenministerin Waltraud Schoppe/ Dem „Haus Schoppe“ fehlen Räumlichkeiten, Kompetenzen und Personal / Die Ministerin hat bei den Nachverhandlungen einen schweren Stand

taz: Die neue Frauenministerin hat noch nichteinmal eigene Räume und teilt sich bei der Grünen Fraktion mit ihrer Staatssekretärin ein Zimmerchen. Ist das symptomatisch für die Frauenpolitik in Niedersachsen?

Waltraud Schoppe: Wenn es ein neuer männlicher Minister gewesen wäre, dann hätte man ein paar Voraussetzungen für seinen Einstieg geschaffen. Das ist bei uns nicht passiert. Ich denke schon, das hat damit zu tun, daß wir „nur“ das Frauenministerium sind.

Das Frauenministerium soll Querschnittsfunktionen haben. Aber sämtliche Schlüsselressorts - Wirtschaft, Soziales, Finanzen - sind mit SPD-Männern besetzt. Wie wollen Sie sich da durchsetzen?

Ich glaube, wir müssen jetzt jedem Minister und jeder Ministerin deutlich machen, was wir unter der Querschnittsfunktion verstehen. Wenn man die einzelnen Ressorts nicht zur Verfügung hat, bedeutet das Einmischung. Wir wollen ferner das Vetorecht der Frauenministerin bei Gesetzesinitiativen. Wir können diese Entwürfe überarbeiten, wenn sie sich negativ für Frauen auswirken.

Aber es gibt keine wirkliche Blockade. Der Begriff Vetorecht klingt nach mehr, als dahinter steckt.

Das sehe ich auch so. Durchsetzen kann man tatsächlich nur dann etwas, wenn in den jeweiligen Häusern ein Verständnis dafür da ist, daß sich Gesetze für Frauen in besondere Weise auswirken können.

Sie wollten die Kombination Frauen und Sozialministerium. Das wäre schon deshalb vernünftig gewesen, um der Frauenministerin mehr Macht und Einfluß im Kabinett zu sichern. Jetzt soll Ihr Ministerium mit jugend- und familienpolitischen Bereichen angereichert werden. Das ist ein mageres Ergebnis.

Ich wäre schon froh, wenn wir das hätten. In den Koalitionsverhandlungen ist darüber geredet worden, die Jugend-, die Familienpolitik, das Referat, das sich mit dem §218 beschäftigt ins Frauenministerium zu bringen. Die Widerstände bei der Jugendpolitik sind groß. Der jetzige Kultusminister will das nicht gern hergeben. Im Bereich Jugendpolitik laufen aber alle Projekte zu sexueller Gewalt gegen Kinder, besonders gegen Mädchen. Deshalb ist das wichtig. Und wir wollten gern den Bereich Kindergärten haben. Man kann auf Landesebene in allen Gesetzen Quoten für Frauen schaffen, aber wenn sie keine Möglichkeit haben, ihre Kinder unterzubringen, nützt ihnen das nichts.

Die Erwartungen an rot-grüne Koalitionen sind hoch, gleichzeitig ist die Gefahr groß, von der SPD untergebuttert zu werden. Gibt es für Sie Punkte, wo Sie sagen, bis hierher und nicht weiter?

Wenn all das an frauenpolitischen Maßnahmen blockiert wird und sich herausstellt, daß man Vereinbarungen nur getroffen hat, um eine Regierung bilden zu können, dann würde ich aufhören. Wenn ich tatsächlich für die Frauen nichts verändern kann, dann frage ich mich, was ich hier soll.

Voraussetzung für eine effektive Politik ist die personelle und finanzielle Ausstattung. Das wurde in die Koalitonsvereinbarungen nicht aufgenommen. Jetzt müssen Sie aus einer schwachen Position heraus verhandeln.

Wir haben den bisherigen Arbeitsstab der Landesfrauenbeauftragten, das sind elf Frauen, übernommen. Angesichts der Tatsache, daß es im Stadtstaat Berlin 26 Stellen und für Frankfurt 20 Stellen gab, ist unsere Forderung nach 60 Stellen nicht überzogen.

Für die SPD ist das wahrscheinlich höchst unbescheiden?

Wir müssen trotzdem im ersten Schwung 30 Stellen durchkriegen: Unsere persönlichen Mitarbeiterinnen, Stellen für die inhaltliche Arbeit und damit der Apparat läuft.

Es gab um Waltraud Schoppe eine sehr heftige Kontroverse. Die Frauen der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) nannten Sie eine „sozialdemokratisierte Pseudopostfeministin“ und sind sehr massiv gegen Sie aufgetreten. Auch Ihre Staatsekretärin, Christa Karras, hat Sie öffentlich kritisiert.

Die Vorwürfe der LAG gingen noch viel weiter. Ich habe das auf der Landesversammlung der Grünen als Rufmordkampagne zurückgewiesen und dafür sehr starken Beifall bekommen. Ich hätte so ein Amt nicht übernehmen können, wenn der Landesverband nicht hinter mir gestanden hätte. Zu den LAG -Frauen: Ich habe lange darüber nachgedacht, warum solche Auseinandersetzungen stattfinden. Aber es gibt auch sehr viele inhaltliche Punkte, wo wir keine Kontroversen haben.

Das sehen die LAG-Frauen anders. Für sie ist Waltraud Schoppe Vertreterin einer fast schon wertkonservativen Politik.

Das halte ich für ein Vorurteil. Dennoch muß ich mir die Frage stellen, warum sehen die mich durch eine solche Brille. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß wir in der Frauenbewegung einmal davon ausgegangen sind, daß Frauen weil alle Diskriminierung erfahren - alle gleich sind. In den letzten Jahren sind Frauen aber unterschiedliche Wege gegangen.

Bei den Frauen der LAG handelt es sich um sehr aktive Frauenpolitikerinnen und Sie sind auf Unterstützung angewiesen. Haben Sie nicht Angst davor, im Regen stehen gelassen zu werden?

Nein, Angst habe ich davor nicht. Wir werden hier einen Beirat einrichten. Eine Gruppe von kreativen Frauen, die mit uns Politikberatung macht.

Der Streit mit Christa Karras ist bereinigt? Ist Mißtrauen zurückgeblieben?

Mißtrauen habe ich überhaupt keines. Seit wir zusammen hier sind, haben wir keinen einzigen Streit gehabt. Die Arbeit regelt sich auch deshalb, weil wir uns eine Gegnerschaft überhaupt nicht erlauben können. Der Gegner sitzt ganz woanders. Im Moment ist es die SPD.

Im Koalitionsprogramm heißt es: Die Umverteilung aller Erwerbs-, Erziehungs- und Pflegearbeit zwischen den Geschlechtern soll in Angriff genommen werden. Aber: die Versorgung mit Kindergärten ist - wie überall in der Bundesrepublik - katastrophal.

Wir haben ausgehandelt, daß 30.000 Kindergartenplätze geschaffen und die Krippenplätze verdreifacht werden. Dazu muß man wissen, daß es in Niedersachsen nur zweitausend Krippenplätze gibt.

Es soll ein Gleichstellungsgesetz mit einer 50-Prozent -Quote für den öffentlichen Dienst geben. Streitpunkt mit der SPD ist der Qualifikationsbegriff. Die grünen Frauen fordern, die formale Qualifikation als Maßstab zu nehmen.

Ich weiß nicht, ob das hier durchzubringen ist. Dafür kenne ich das Kabinett noch viel zu wenig. Das hängt auch von der Unterstützung von außen ab. Merkwürdig fände ich, wenn wir hier den dreizehnten Versuch eines Gleichstellungsgesetzes machen würden, von dem wir von vornherein wissen, daß das keine Wirkung haben wird. Da müssen zusätzliche Sachen hinzukommen. Zum Beispiel sollte man ruhig mal versuchen, Betriebe finanziell zu belohnen, die Frauen fördern.

Interview: Helga Lukoschat

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