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Überrundet die PDS die Berliner AL?

■ Claus Croissant treibt die Gründung der SED-Nachfolgepartei im Westen voran / Gute Wahlchancen

Von Claus Christian Malzahn

Berlin (taz) - Die PDS wird bei Gesamtberliner Wahlen aller Vorraussicht nach in beiden Stadthälften antreten. Mehrere Westberliner Linke, darunter das Ex-AL-Mitglied Klaus Croissant, betreiben zur Zeit die Gründung einer „Partei des Demokratischen Sozialismus“ in West-Berlin. Die Arbeit der „PDS-Initiative“, die gestern abend in der Technischen Universität Berlin ihren Gründungsaufruf vorstellte, sei mit der Ost-PDS „abgestimmt“, sagte Croissant der taz. Wolfram Adolphi, der Vorsitzende der Ostberliner PDS (Kommunalwahlen: mehr als 30 Prozent) hatte bereits in der Vergangenheit gegenüber der taz bestätigt, daß es „Gespräche“ mit PDS-Sympathisanten in West-Berlin gebe.

Die „PDS-Initiative“ grenzt sich in ihrem Gründungsaufruf klar vom grün-alternativen Lager ab. Keine der Alt-Parteien, inklusive der Grünen, stelle die kapitalistische Gesellschaftsordnung in Frage. Zwar stehe eine genaue Analyse der Fehler des Sozialismus noch aus. Da die „Bonner Allparteienallianz“ auf die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen im Hauruck-Verfahren setze und das Tempo diktiere, müsse man sich diesem Tempo stellen. Eine organisierte Linke sei die einzige relevante Opposition gegen ein „Modell Gesamtdeutschland“.

Die PDS-Initiative, in der nach Angaben von Croissant zur Zeit „zwischen 20 und 30 Leute“ mitmachen, arbeitet unabhängig vom Programm der Ost-PDS. Croissant hofft, das sich neben „linken AL- und SPD-Mitgliedern“ auch Autonome und Anhänger von K-Gruppen seiner Initiative anschließen. Neben Croissant arbeiten auch der Journalist Till Meyer, der in den 70er Jahren zur „Bewegung 2. Juni“ gehörte, der Studentenpfarrer Tom Veerkamp und der Friedensaktivist Michael Venedey bei der Initiative mit.

Falls eine Konstituierung der PDS in West-Berlin gelingt, hat sie gute Chancen, im Gesamtberliner Parlament vertreten zu sein. Selbst ohne eine einzige Stimme aus dem Westteil der Stadt käme die PDS - wenn sie ihr Ergebnis in Ost-Berlin halten kann - auf mehr als zwölf Prozent. Der Sprecher der Alternativen Liste, Stephan Noe, erklärte auf Anfrage zu der PDS-Gründung in West-Berlin, die AL brauche davor keine Angst zu haben. Zum grün-alternativen Spektrum stelle die PDS keine Alternative dar. „Croissant muß sich fragen lassen, ob er durch eine Gründung der PDS im Westen nicht die Aufarbeitung der Geschichte dieser Partei erschwert“, sagte Noe weiter. Erst gestern erklärten neun AL-Aktivisten mit dem Hinweis auf die Parte-intern mittlerweile stark umstrittene Regierungsbeteiligung ihren Austritt aus der Partei. Sie wollen zwar nicht mit wehenden Fahnen zur PDS überlaufen, schlossen aber eine Zusammenarbeit nicht aus.

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