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Nur eine neue Bürokratie?

■ Der Neuaufbau der Gewerkschaften in der DDR

Im Prinzip stand die Entscheidung des DGB für einen eigenständigen Aufbau des gewerkschaftlichen Dachverbandes seit Monaten fest. Seit der frühere FDGB-Vorstand unter der Vorsitzenden Helga Mausch nicht ohne hintergründige Einflußnahme der Westgewerkschaften politisch entmachtet und durch einen Sprecherrat der DDR-Einzelgewerkschaften ersetzt wurde, war klar, daß es weder eine politische noch eine organisatorische Kontinuität zum bisherigen Gewerkschaftsdachverband in der DDR geben kann. Der FDGB gehört unwiderbringlich zum alten System in der DDR und wird zu Recht mit diesem verschwinden. Daß dies für einzelne FDGB -Gewerkschafter, die sich in den letzten Monaten innerhalb ihrer Organisation um eine Wende zu authentischer gewerkschaftlicher Interessenvertretung bemüht haben, bitter ist, gehört zu den unvermeidlichen Härten des Erneuerungsprozesses in der DDR.

Die Entscheidung für den Bruch mit dem FDGB und einen vollständigen Neuaufbau ist politisch richtig und allein deshalb notwendig, weil es anders für die Gewerkschaften in der DDR keine politische Glaubwürdigkeit geben kann. Allerdings ist dieser Neuanfang auf DGB-Ebene leichter zu bewerkstelligen als bei den Einzelgewerkschaften, die trotz gegenteiliger Beteuerungen in vielen Fällen auf die vorhandenen Strukturen zurückgreifen. Sie können kaum verhindern, daß ehemals staats- und systemtreue Mitglieder der Betriebsgewerkschaftsleitungen nun ganz zeitgemäß auf Betriebsrat umsatteln. Und bei der Übernahme von hauptamtlichen Mitarbeitern der DDR-Einzelgewerkschaften in die Partnergewerkschaft aus dem Westen setzt sich allzuleicht das Interesse an organisatorischer Effizienz gegenüber der Notwendigkeit der personellen Erneuerung durch.

Die Entsendung von drei Dutzend West-Funktionären zur Aufbauarbeit in der DDR ist sicher notwendig, um möglichst schnell die sozialen Interessen der abhängig Beschäftigten in der DDR in organisierter Form vertreten können. Allerdings besteht die Gefahr, daß hier nur eine politisch diskreditierte durch eine politisch glaubwürdigere Bürokratie ersetzt wird. Die gewerkschaftliche Eigentätigkeit der abhängig Beschäftigten, das Engagement der Mitglieder, aus dem letztlich alle gewerkschaftliche Durchsetzungskraft entspringt - das eigentlich Lebendige an einer Gewerkschaftsbewegung also ist damit noch keineswegs gefördert. Dies aber müßte das eigentliche Ziel des gewerkschaftlichen Neuaufbaus in der DDR sein.

Martin Kempe

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