: Erweiterter Anspruch auf Prozeßkostenhilfe
Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht hat den Anspruch unbemittelter Bürger auf Prozeßkostenhilfe bedeutend erweitert. Diese sei auch dann zu zahlen, wenn der Ausgang des Verfahrens von der Klärung „schwieriger, noch nicht geklärter Rechtsfragen“ abhänge, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Urteil. In diesem Fall sei die Voraussetzung der Prozeßkostenhilfe gegeben, wonach das Verfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg haben müsse. Mit dieser Begründung wurde der Verfassungsbeschwerde einer rumänischen Asylbewerberin stattgegeben. Die Beschwerden eines afghanischen und acht tschechoslowakischer Staatsbürger wurden hingegen zurückgewiesen.
Im Asylverfahren der Rumänin hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Prozeßkostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt. Es sei höchstrichterlich „zum Nachteil“ der Frau entschieden, daß sie mit ihrer illegalen Ausreise aus Rumänien einen subjektiven „Nachfluchttatbestand“ geschaffen habe, der kein Asylrecht begründe.
Damit habe das Gericht gegen Verfassungsrecht verstoßen, entschied nun das Bundesverfassungsgericht. Es sei bereits zweifelhaft, ob es sich in diesem Fall um einen solchen nach der Flucht entstandenen Tatbestand handele, denn er sei nicht danach, sondern durch die Flucht entstanden. Im übrigen habe auch das Gericht unberücksichtigt gelassen, daß die Beschwerdeführerin allein durch ihr Asylbegehren in ihrer Heimat mit politischer Verfolgung rechnen müsse. Diese Fragen seien damals durchweg höchstrichterlich noch unentschieden gewesen.
Mit der Verweigerung der Prozeßkostenhilfe hätten die bayerischen Richter deren Zweck verkannt. Aus dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes folge, daß die Situation Bemittelter und Unbemittelter „bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes“ weitgehend angeglichen werden müsse. Dazu diene die Prozeßkostenhilfe, die bei hinreichender Erfolgsaussicht zu gewähren sei. Verneine ein Gericht die Erfolgsaussicht des Verfahrens, weil es glaubt, auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen bereits im Prozeßkostenhilfeverfahren „durchentscheiden“ zu können, verstoße es gegen die Verfassung. Dies sei im Falle der Rumänin geschehen, alle übrigen Entscheidungen seien jedoch korrekt gewesen. (Aktenzeichen: 2 BvR 94/88 Beschluß vom 13. März 1990)
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