Jeder Stein ist kein Mensch

■ Eva T. Bernhard in der Galerie Bodo Niemann

Es begann ein Wettlaufen in den Wäldern. Alles war voll von Tieren. Ich versuchte Ordnung zu machen.“ Sie machte Ordnung. Zwang alles in gleichförmige Platten hinein. Holte die Tiere in kleine Abbildungen zurück, in eine Bilderkette aus gleichen Gliedern. Sie zwang die Restmotive der Welt, von der Amöbe bis zur Holzmaserung, vom Uhu bis zum Streichholz, in eine vertikale, gleichmäßige Plattenstruktur.

Eva T. Bernhard hat so die Schöpfung auf ihr persönliches Maß hin gemalt. Das gegenwärtig in der Galerie Bodo Niemann zum Thema Von den Anfängen zusammengestellte Werk der an der HdK Berlin ausgebildeten Künstlerin reißt Anfangsaspekte aus dem Weltentstehungsprozeß ebenso wie aus der eigenen Biographie auf: Die mit Ölkreide gemalten Fischvariationen auf den Schiefertafeln sind zugleich Kindermotive, religiöse Symbole und Wiederholungen von Versteinerungen, sie sind zusammen mit den dazwischen abgebildeten Flaschen auch Treibgut aus der Zeit des Ursprungs der Kunst.

Eva T. Bernhard geht mit ihren eigenen Anfängen vorsichtig und ausschnitthaft um: Auf einem kleinen Foto sieht man nur eine Reihe von Kinderknien. Zwei Comicbilder, ein paar Puzzleteile, Zahlen von 1 bis 12 auf einer Glasplatte und darunter nochmals den Zahlensalat bunt durcheinandergemischt.

Wie unfreiwillige Erinnerungsbilder stehen die Tafeln nebeneinander: zwei Schwerter, die von einer Rittersage übriggeblieben sind, ein Schnittmusterteil, eine Art Leiter mit Schlange, ein Fisch, ein Ring, eine Säule, in die das Wort „Liebe“ altdeutsch eingeschrieben ist. Die Schieferzeichnungen sind auch Schulaufgaben, nach zwanzig Jahren zu Ende geführt. Im Katalog, der einem Schulheft gleicht, sind Texte aus der Rechtschreibfibel der Grundschule abgedruckt: „Verwechsle nicht: lich-ig-isch: ängstliche Hasen, sandige Wege, heimische und ausländische Waldbäume...“ Vielleicht, um nicht zu verwechseln oder um das dumme Reihungs- und Benennungsprinzip aus sich herauszutreiben, hat Eva T. Bernhard ihre Gedächtnisbilder vor sich hin- und nebeneinandergestellt. Und Syllogismen der Art entwickelt: „Der Mensch ist kein Baum. Ein Birnbaum ist ein Baum. Der Mensch ist kein Birnbaum.“ Ganz unten, wie als Fußnote, hat sie sich selbst mit der Schultüte hingesetzt.

Michaela Ott

Galerie Bodo Niemann, Knesebeckstraße 30, 1-12, Di bis Fr 12 -18, Sa 11-14 Uhr.