: Pubertärer Kriegsheld
■ Audie Murphy-Retrospektive auf West3 und in der Nordkette
Nicht von ungefähr hatten die Filme des Schauspielers Audie Murphy Titel wie The Kid From Texas (1950) oder Cimarron Kid (1951), denn mit seinem naiv-kindlichen Gesicht wirkte der Star zahlloser B-Western stehts jugendlich und manchmal sogar ein bißchen weinerlich. Man sah ihm nicht an, daß er im Zweiten Weltkrieg an vorderster Front gekämpft und bereits einiges mitgemacht hatte. Zur Hölle und zurück überschrieb er später seine Autobiographie, die 1955 von Jesse Hibbs als Großproduktion verfilmt wurde, in Cinemascope, Technicolor und natürlich mit dem immer noch jungenhaft wirkenden Murphy in der Hauptrolle.
Hier wurde noch einmal nachgezeichnet, wie der junge Murphy daheim auf der Farm in Texas brav der Mutter diente und sich ebenso gehorsam in den Dienst seines Vaterlandes stellte, als Not am Mann war.
Mit achtzehn Jahren trat er 1942 in die US-Army ein und wurde im folgenden Jahr nach Nordafrika verschickt. Er kämpfte an Kriegsschauplätzen in Italien, Frankreich, Österreich und Deutschland und war einer von nur zwei Überlebenden seiner Kompanie. Dreimal wurde er verwundet. Auf Orden und Medaillen schien er abonniert zu sein und kehrte als höchstdekorierter US-Soldat in die Heimat zurück.
Im Zivilleben versuchte er sich als Farmer, Büroangestellter und Tankwart, ehe in Hollywood jemand auf die Idee kam, die Popularität des Kriegshelden zu nutzen. In Beyond Glory, einer Westpoint-Schmonzette, gab der schmächtige Schauspieler 1948 sein Leinwanddebüt und spielte fortan vorwiegend in Western der B-Kategorie, in einigen Kriegsfilmen und einem Boxerdrama.
Über besondere schauspielerische Fähigkeiten verfügte Murphy naturgemäß nicht. Das wußte er selbst nur zu genau, und machte das Beste daraus: Die zwischen pubertärem Jammer und jungenhafter Offenheit wechselnde Mimik und die bedächtige, knappe Sprechweise wurden sein Markenzeichen.
Obwohl ihm die Böswilligkeit nicht gerade ins Gesicht geschrieben stand, durfte er dennoch auch einige Schurken spielen, und es gab sogar Filme, deren Ende die von ihm verkörperte Figur nicht mehr erlebte. Es waren dies eben jene B-Pictures, die häufig als Doublefeature zusammen mit einem Film aus einem anderen Genre gezeigt wurden, viele davon, wie in dieser Sparte üblich, Remakes bekannter und erfolgreicher Stoffe. So sah man Murphy unter anderem in Sierra (nach Forbidden Valley aus dem Jahr 1938), in Destry (nach Destry Rides Again aus dem Jahr 1939) und in Gun Runners (nach Howard Hawks‘ To Have and Have Not aus dem Jahr 1945).
Die wenigsten seiner 44 wie am Fließband gedrehten Filme waren Meisterwerke; ambitioniertes Kino verlangten seine Fans auch gar nicht: „What the customers paid to see was Murphy (...) in action“, schreibt der Biograph der Universal Studios, Clive Hirschhorn, und attestiert einem Murphy-Film gar eine „bang-bang-you're-dead„-Inszenierung. Zu den besseren Arbeiten gehörten die Filme, die Murphy unter der Regie des Actionspezialisten Don Siegel drehte. Der sagte später - die unerfreulichen Arbeitsbedingungen im Low-Budget -Metier mit schwarzem Humor umschreibend - über den Film Schüsse in Neu-Mexiko: „Der einzige Weg, den Film durchzustehen und gesund und bei Verstand zu bleiben, war Spaß zu haben. Und alle im Team machten dabei mit - Audie eingeschlossen. Wenn ich ihn in den Arm nahm, konnte ich sogar etwas Schauspielerei aus ihm herausquetschen.“
Auf seine alten Tage schien Murphy ein wenig die Distanz zu seinen Rollen zu verlieren und stürzte sich in einen persönlichen Kampf gegen Mafia und Drogendealer. Das Ergebnis war eine Anklage wegen versuchten Mordes, die allerdings abgewiesen wurde. Noch sein Abgang kurze Zeit später war standesgemäß: Er stürzte im Alter von 47 Jahren mit einem Privatflugzeug ab.
West3 zeigt bereits seit einigen Wochen eine ausführliche Audie Murphy-Reihe; die Nordkette beginnt am 9.Juli mit der Ausstrahlung von fünf Audie Murphy-Filmen, darunter auch die im Text erwähnten Sierra (9.Juli) und Schüsse in Neu -Mexiko (23.Juli).
Harald Keller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen