piwik no script img

Zeitbombe importierte Tiermehle

■ Die Tiermehlimporte aus Großbritannien sind in den letzten Jahren rapide gestiegen Darunter warscheinlich auch mit dem BSE-Virus verseuchte Futtermittel / Grüne: Deklarationen fehlen

Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - „Die steigenden Zahlen der britischen Tiermehle in der BRD seit dem Auftreten der Rinderseuche in England vor fünf Jahren lassen den Verdacht aufkommen, daß aufgrund der inländischen Absatzprobleme in Großbritannien die verseuchten Mehle in anderen EG-Ländern entsorgt wurden und werden.“ Das erklärten gestern die Grünen im hessischen Landtag, die sich auf veröffentlichte Zahlen des Bundesamtes für Statistik über den Tiermehlimport bezogen.

Betrug in den Jahren 1980 bis 1986 der Gesamtimport von britischen Tiermehlen nur 4,7 Tonnen, so stiegen die Importe 1988 auf 594 Tonnen an. Und bis Mai letzten Jahres exportierten die Engländer nochmals 518 Tonnen in die Bundesrepublik. Die Inkubationszeit für die Rinderseuche beträgt zwei bis acht Jahre. Nach Auffassung der grünen Landwirtschaftsexpertin Irene Soltwedel ticke wegen der importierten BSE-verseuchten Tiermehle eine „Zeitbombe“ „sowohl für die Rinder als auch für die Menschen“.

Obgleich sich die Einfuhr-Referentengruppe der Bundesländer seit 1987 mit dem Thema „Rinderwahn“ beschäftige, sei erst im Mai 1990 ein Einfuhrstop für britische Tiermehle verhängt worden. Doch der - so die Befürchtung der Grünen - könne von den Exporteuren problemlos unterlaufen werden. Soltwedel: „Da es keine Kennzeichnungspflicht der Inhaltsstoffe von Futtermitteln nach Herstellungsländern gibt, ist eine Beimischung von britischem Fleischmehl in sogenanntem Mischfutter nicht nachweisbar. Es sei deshalb „ein Skandal, daß sich etwa die hessische Landesregierung einzig auf eine Garantieerklärung der Kraftfutterindustrie“ verlasse, in der die deutschen Futtermittelimporteure den Einsatz von „Rohstoffen“ aus Großbritannien im Mischfutter mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ ausgeschlossen hatten.

Die Grünen forderten das sofortige Verbot der Beimischung von Tiermehlen in Mischfuttermitteln und die umgehende Einführung eines Deklarationssystems nach den verarbeiteten Inhaltsstoffen und nach Herkunftsländern. Bereits importierte Mischfutterchargen sollten sofort untersucht werden. Das Robert-Koch-Institut bescheinigte den hessischen Grünen unterdessen eine „saubere Recherche“. Tatsächlich seien die Importe von Fleischmehl aus Großbritannien in den letzten Jahren extrem angestiegen. In England gelangten die BSE-Erreger über Fleischmehl aus gemahlen Schafsköpfen in die Hirne der Rinder. 15.000 der Tiere sollen nach Angaben des Pasteur-Instituts in Paris bereits verendet sein. Die Schafe waren an der sogenannten Traber-Krankheit eingegangen. Der Sprecher des Institutes nahm die hessische Landesregierung in Schutz: Bis zur Veröffentlichung der Statistiken habe die Landwirtschaftsministerin von den steigenden Importen nichts wissen können.

Soltwedel führt den Ausbruch der Seuche in England und Irland vor allem auf die Fütterung der Rinder mit dem Fleischmehl zurück. Rinder seien nämlich von Natur aus waschechte Vegetarier. Nur über die Wiedereinführung der reinen Pflanzenfütterung bei den Rindern könne die Seuche wieder ausgerottet werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen