: Sowjetisches Giftgas in der DDR
■ West-Geheimdienste vermuten 30.000 Tonnen Giftgas „für taktische und operative Zwecke“ in neun Depots
Berlin (dpa/ap/taz) - Nachdem die taz am vergangenen Samstag gemeldet hatte, daß die Sowjetunion entgegen ihrer Dementis Chemiewaffen in der DDR gelagert hat, konkretisierte und erweiterte die 'Deutsche Presseagentur‘ gestern indirekt den Bericht. „Bonner Sicherheitskreisen“ zufolge, so 'dpa‘, lagern die sowjetischen Streitkräfte 30.000 Tonnen Giftgas in neun Depots entlang der innerdeutschen Grenze. Wie berichtet, sollen die Truppen der Roten Armee und der Nationalen Volksarmee defensive Einsatzübungen auf DDR -Gebiet abgehalten haben. Das VEB-Arzneimittelwerk Dresden soll zumindest vor 1985 unter sowjetischer Aufsicht zeitweilig auch chemische Kampfstoffe produziert haben.
Nach Feststellung westlicher Geheimdienste unterhalten sowjetischen Streitkräfte auf eigenem Terrain neun Lager für Kampfstoffe unterschiedlicher Art. 32 weitere Depots befänden sich in den Ländern des Warschauer Paktes. Es handele sich um Typen von Nerven-, Haut-, Blut- und Schockkampfstoffen. Sie würden ein „breites Spektrum von taktischen und operativen Verwendungsmöglichkeiten abdecken“.
Etwa 40 Prozent der sowjetischen C-Waffen sollen nach den Geheimdienstberichten für Artillerie-Munition in den gebräuchlichen Kalibern für Mörser- und Haubitzengranaten sowie für Raketenköpfe bestimmt sein. Darüber hinaus gebe es auch chemische Flugzeugbomben. Insgesamt weisen die Schätzungen der „Geheimdienste des Westens“ laut 'dpa‘ eine große Spanne auf: So wird angenommen, daß die Sowjetunion zwischen 200.000 und 700.000 Tonnen Kampfgasmittel besitzt.
Unterdessen hat das DDR-Verteidigungsministerium die Berichte über sowjetische Giftgas-Depots in der DDR zurückgewiesen. Das Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte, so Ministeriumssprecher Uwe Hempel gegenüber 'ap‘, habe versichert, daß es keine Lager mit chemischen Waffen in der DDR gebe. Die Behauptung, auch die NVA verwalte C-Waffen-Depots, erklärte Hempel für „absolut unsinnig“. Abrüstungsminister Eppelmann habe immer wieder betont, daß die NVA weder chemische Waffen besitze noch verwalte. Wenige Tage zuvor hatte ein Eppelmann-Berater indes gegenüber der taz die Berichte über sowjetische C -Waffen auf DDR-Boden bestätigt. Eppelmann moniere die Geheimniskrämerei der Sowjets, die Art und Zweck ihrer Depots gegenüber der jetzigen DDR-Führung verschwiegen.
Der Abzug der amerikanischen Chemiewaffen aus der Bundesrepublik steht kurz bevor. Die Vereinigten Staaten hatten bisher bei Clausen in der Nähe von Pirmasens 100.000 Granaten mit rund 400 Tonnen Nervengas gelagert. Mit dem Verladen der ersten Gifgas-Geschosse in gasdichte Stahlmagazine wurde bereits begonnen.
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