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Nicaraguanische Roßkur

■ Den USA ist die Stabilisierung ihrer Chamorro-Regierung wenig wert

Nicaragua ist auch nach dem Regierungswechsel nicht zu einem ganz gewöhnlichen Land Lateinamerikas geworden. Lateinamerika, das bedeutet wirtschaftliche Roßkuren, die das Land für Kredite des Weltwährungsfonds würdig machen sollen, Hungeraufstände der verzweifelten Bevölkerung, Einsatz der Armee, Dutzende oder Hunderte von Toten (wie letztes Jahr in Venezuela oder vorher in der Dominikanischen Republik). Dann ist die Luft wieder raus und es kann ein paar Jahre regiert werden.

In Nicaragua haben die Armee und die Polizei zwar der Zivilregierung die Treue gelobt, gleichzeitig sind sie aber den Errungenschaften der sandinistischen Revolution verpflichtet. Die Soldaten haben zwar gehorsam die Barrikaden von den Durchzugsstraßen entfernt, aber sie haben zugesehen, wie die Arbeiter die Blockaden wieder aufrichteten. Da Violeta Chamorro den Hilferuf an den großen Bruder, dessen Truppen in Kalifornien bereits in Alarmbereitschaft versetzt wurden, nicht ausspricht, gibt es für den Konflikt nur eine Verhandlungslösung.

Während mehr als zehn Jahren sandinistischer Herrschaft hat es - trotz Wirtschaftskrise und Sparpolitik - nie Streiks gegeben, die die Stabilität der Regierung bedroht hätten. Das liegt einerseits daran, daß sich die sandinistischen Gewerkschaften als Transmissionsriemen der Politik der Revolutionsregierung verstanden. Das hängt aber auch damit zusammen, daß die Sandinisten immer bemüht waren, die Auswirkungen von drastischen Wirtschaftsprogrammen auf die sozial Schwächsten durch flankierende Maßnahmen abzuschwächen. Für die Schulkinder gab es täglich ein Glas Milch, für die Studenten und Mittelschüler freie Beförderung in den öffentlichen Bussen, für Arbeiter und Staatsangestellte ein stark subventioniertes Nahrungsmittelpaket. Wasser, Strom und Milch wurden immer gestützt.

Im Februar entschied sich die Mehrheit der nicaraguanischen Bevölkerung für das Oppositionsbündnis Violeta Chamorros. Nicht zuletzt deswegen, weil die Verbündeten der USA im Wahlkampf versprachen, daß nach ihrem Sieg ein reicher Dollar-Segen über das Land kommen würde. Zwar ist es inzwischen gelungen, zumindest die Contras zu entwaffnen und damit den Krieg zu beenden, doch sonst hat sich für die Masse der Nicaraguaner alles nur zum Schlechteren gewendet. Die konservative Chamorro-Regierung mit ihrem neoliberalen Wirtschaftsprogramm wollte zuallererst die Inflation bremsen. Während die Preise explodierten, fielen die Subventionen. Die USA haben ein Hilfspaket von 300 Millionen Dollar für Nicaragua freigegeben. Damit ist ihnen die Stabilisierung der genehmen Regierung weniger wert, als sie in den vergangenen Jahren in die Destabilisierung der sandinistischen Regierung investiert hatten.

Ralf Leonhard

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