: DDR weicht im Asylrecht von BRD ab
■ Ausländerbeauftragte Berger konstatiert „eindeutige Verbesserung“ / Flüchtlinge dürfen arbeiten / In die DDR geflohene Juden fallen nicht unter das Asylrecht
Berlin (ap/taz) - Auf den Tischen des DDR-Inneministeriums liegen die ersten Asylanträge: 22 Menschen wollen in der DDR Schutz vor politischer Verfolgung in ihrer Heimat finden. Unter den Antragstellern sind nach Angaben des Ministeriums Türken, Somalier, Bürger aus Sri Lanka und zwei Schweizer.
Der zuständige Referent Achim Hildebrandt konnte am Mittwoch allerdings keine Einzelheiten über die Asylanträge der Schweizer bekanntgeben. Doch hätten sie politische Gründe genannt.
Das DDR-Kabinett verabschiedete am Mittwoch eine Verordnung zum Ausländerrecht, das die Ansiedlung von Ausländern sowie das Asylrecht in der Zeit bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten re gelt.
Darin ist nach Ansicht der Ausländerbeauftragten Almut Berger eine „eindeutige Verbesserung“ zu sehen. Bisher gab es in der DDR keine Asylbewerber. Auch bei der Ansiedlung von Ausländern behielt sich der Staat restriktiv das Recht auf Zustimmung vor. Die meisten Ausländer waren sowieso aufgrund von Arbeitsverträgen mit den sozialistischen Ländern im Land. Nun können sich Ausländer in der DDR niederlassen, wenn sie den Nachweis dafür bringen, daß Einkommen und Wohnung gesichert sind.
Dies entspricht der Rechtspraxis in der Bundesrepublik. Im Gegensatz zur bundesdeutschen Gesetzgebung denkt die DDR nach Angaben von Referent Hildebrandt in der Zeit bis zur Vereinigung nicht daran, den Asylbewerbern ein Arbeitsverbot aufzuerlegen. In der Bundesrepublik dürfen die Asylbewerber vier Jahre lang nicht arbeiten. In der DDR werde den Asylbewerbern zwar keine Arbeit vermittelt, aber Jobs könnten sie annehmen.
Eine Lösung hat die DDR mittlerweile auch für die über 500 jüdischen Sowjetbürger gefunden, die ins Land geflüchtet sind. Da sie mit Touristenvisa ausgestattet sind, fallen sie nicht unter das Asylrecht. Mit der Sowjetunion sei verabredet, sich in diesem Fall über Verträge hinwegzusetzen und mit der Eingliederung der Juden in der DDR zu beginnen, sagte die Ausländerbeauftragte Berger auf Anfrage. Dafür sei ein Hilfsfonds eingerichtet, Schulen würden bereits gebaut. Die Juden leben zur Zeit in Aufnahmelagern in der Nähe von Berlin.
Bei den ebenfalls ins Land strömenden Rumänen könne Asyl aber nur im Einzelfall gewährt werden, fügte Hildebrandt hinzu. Die Regierungsbeauftragte Berger gab sich zuversichtlich, daß die DDR in „nächster Zeit kein Einwanderungsland“ wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen