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Deutsch-deutsches Müllgeschäft

■ Die landeseigene Müllentsorgungsgesellschaft will den Dreck aus Baden-Württemberg in Sachsen entsorgen / Dazu soll eine Deponie in Görlitz-Land herhalten / Umweltministerium dementiert

Von Erwin Single

Stuttgart (taz) - Die Landtags-Grünen im Baden-Württemberg deckten gestern einen neuen Skandal auf: Die Müllkaravanen mit Sonderabfällen aus dem Ländle sollen in die DDR ziehen. Die landeseigene Müllfirma „Sonderabfallentsorgung Baden -Württemberg“ (SBW) hat dem „Ingenieurbüro für Abfallprodukte“ in Dresden, dem zukünftigen Regierungsbezirk Sachsen, die Errichtung einer Sondermülldeponie und Giftmüllexporte aus dem Südwesten angedient.

Bedingungen sind lediglich die Klärung der Standortfrage und die Gründung einer Gesellschaft unter Beteiligung der Sonderabfallentsorgung Baden-Württemberg, heißt es in einem vom Ingenieurbüro angefertigten Protokoll über die Informationsgespräche mit Vertretern der SBW und der „Sonderabfallentsorgung Saar GmbH“ (SES). Wörtlich: „Die SBW übernimmt den Bau der Deponie sowohl materiell als auch finanziell und garantiert (...) Einnahmen von mindestens 33 Millionen DM im Jahr“. Besondere Zeitersparnis ließe sich erreichen, wenn als Grundlage das bereits existierende Deponieprojekt Ostritz, Kreis Görlitz-Land, genutzt werden könnte.

Die saarländische SES will im Fall der Gründung einer Sonderabfallentsorgungsfirma Expertenberatung und das Know -how für bestimmte Entsorgungsvarianten kostenlos zur Verfügung stellen. Dem Protokoll zufolge haben SBW und SES mehrfach darauf hingewiesen, „daß ohne vorhandene Entsorgungsmöglichkeiten weder die einheimische Industrie bestehen kann noch bundesdeutsche Firmen hier investieren werden“. Gegenüber 'dpa‘ bestritt SBW-Geschäftsführer Hans -Richard Lang, ein solches Angebot gemacht zu haben; es habe sich um ein erstes Informationsgespräch, nicht aber um Vereinbarungen gehandelt. Der Grünen-Landtagsabgeordnete Winfried Kretschmann bezeichnete das Dementi als durchsichtigen Versuch, die Gesprächspartner aus Sachsen als begriffsstutzig hinzustellen. Die in dem Papier niedergelegten Fakten seien von dem Dresdner Ingenieurbüro bei Rückfrage ausdrücklich bestätigt worden.

Im Stuttgarter Umweltministerium will man nichts gewußt haben. Die Behörde erklärte, ein Export von Sondermüll in die DDR komme für Umweltminister Vetter nicht in Frage. Sollte sich das SBW-Angebot bestätigen, seien Konsequenzen bei der landeseigenen Müllfirma nicht ausgeschlossen.

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