Rechtsexperten bei der EG schwitzen

■ In Brüssel werden die Bedingungen für die Integration der DDR in die EG ausgehandelt werden / Meckel klagt: Keine Abstimmung über den deutschen Wahltermin bisher in der EG

Aus Brüssel Michael Bullard

Der deutsch-deutsche Geschwindigkeitsrausch wird auch in Brüssel zum ordnungspolitischen Test. Rechtsangleichung ist das Schlagwort, das das Heer von Rechtsexperten bei der EG zum schwitzen bringt. Schließlich müssen in wenigen Wochen die Bedingungen formuliert sein, nach denen das Gebiet der DDR im Anschluß an die Vereinigung in die EG integriert werden soll. Ob dies klappen wird?

DDR-Außenminister Meckel ließ bei seinem ersten Besuch beim EG-Ministerrat in Brüssel am Montag darüber keine Zweifel aufkommen: „Der Zeitplan wird eingehalten werden müssen.“ Allerdings wunderte sich der SPD-Ost-Politiker, „warum über den frühen Wahltermin in der EG keine Abstimmung stattgefunden hat“. Um die von der Bundesregierung vorgegebene Frist bis zum 2. Dezember auch einhalten zu können, beschlossen die Minister, daß die EG-Institutionen Kommission, Rat und Parlament bis Ende November ihre Voten abgegeben haben müssen. Größter Unsicherheitsfaktor in diesem Plan ist das Europaparlament. Zwar verzichteten die Abgeordneten bereits letzte Woche darauf, das sogenannte „Gesamtpaket“ ratifizieren zu wollen. Allerdings enthält das Paket, das die Kommission voraussichtlich Mitte September vorlegen wird, einige Sprengsätze, die das Parlament doch noch dazu veranlassen könnte, Öl auf die Rennbahn zu gießen. Vorsichtshalber verlangten die Abgeordneten dann auch, daß ihre Meinung sowohl zum Gesamtpaket als auch zu den Einzelvorschlägen berücksichtigt werden müßte. Das Paket umfaßt drei Teile: den Bereich von Rechtsvorschriften, die die DDR sofort einführen muß; einen Bereich, für den Übergangsfristen ausgehandelt werden und drittens die finanziellen Konsequenzen, die sich aus der Eingliederung für die EG ergeben. Vor allem der letzte Punkt ist heikel, weil die sechs Milliarden DM, die der DDR für 1991 und 1992 in Aussicht gestellt werden, aus den Strukturfonds der EG kommen sollen. Die Fonds dienen zur Förderung wirtschaftlich unterentwickelter Gebiete in der EG. Hauptnutznießer sind bislang die südeuropäischen Länder. Vor allem sie wehren sich ganz entschieden dagegen, daß die Förderung der DDR auf ihre Kosten gehen soll. Eine Aufstockung der Fonds wird andererseits von den reichen EG-Staaten abgelehnt. Vermutet wird deshalb, daß ein Teil der sechs DDR-Milliarden DM aus dem unausgeschöpften Stützfonds für Agrarpreise eingerichtet, um Preisverluste durch Dollarschwankungen oder Preisveränderungen auf dem Weltmarkt aufzufangen - kommen soll. Der Finanztrick würde zwar den Bauern gegen den Strich gehen, so die Überlegung, andererseits könnte damit aber ein zeitraubender Streit im Ministerrat vermieden werden.

Ebenfalls am Montag überreichte der Außenminister Maltas, Guido de Marco, in der EG-Kommission das Beitrittsgesuch seiner Regierung. Die zwischen Italien und Libyen gelegene Insel ist das vierte Land nach Österreich, der Türkei und Zypern, das im letzten Jahr den Antrag auf Mitgliedschaft in der EG gestellt hat. Über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen will die Kommission frühestens im September entscheiden. Doch schon jetzt nannte die italienische Regierung die Bedingung, daß Maltas Antrag nur zusammen mit dem von Zypern behandelt werden soll. Der Streit zwischen der Türkei und dem EG-Mitglied Griechenland hat eine Diskussion darüber jedoch bislang erfolgreich verhindert.