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„Die Welt hat sich verändert. Der Boden bewegt sich“

■ Larry Jagan sprach mit dem vietnamesischen Außenminister Nguyen Tach über die Chancen einer Lösung für Kambodscha

INTERVIEW

taz: Können Sie sich vorstellen, daß es auf der Basis der Pariser Gespräche des UN-Sicherheitsrates tatsächlich zu einer friedlichen Lösung des Kambodschakonflikts kommt, solange die Roten Khmer sich nicht einmal auf einen Waffenstillstand einlassen?

Nguyen Tach:Ich bin da weder optimistisch noch pessimistisch. Mir ist klar, daß die Entscheidungen von den kambodschanischen Parteien getroffen werden müssen. Das gilt vor allem für einen Waffenstillstand. Das kann ihnen keiner, weder die „Fünf“ noch zehn oder hundert Länder abnehmen.

Aber ganz offensichtlich sind die Roten Khmer doch nicht daran interessiert, über einen Frieden zu verhandeln, solange sie Phnom Penh nicht kontrollieren. Welche Schritte sind denn noch denkbar, um alle Khmer-Parteien an einer Konfliktlösung zu beteiligen? Gegenwärtig scheint die Situation doch aussichtslos.

Ich denke nicht. Wenn das Ausland die Unterstützung für sämtliche Khmer-Parteien einstellt, werden die Roten Khmer nicht weiterkämpfen. Die Frage ist, ob sich das Ausland auf eine Aussetzung aller militärischen Lieferungen einläßt. Ich weiß es zu schätzen, daß die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion über ein Moratorium ernsthaft nachgedacht haben.

Darf ich Sie so verstehen, daß zwar die USA und die Sowjetunion daran denken, die Waffen zu stoppen, die Lieferungen Chinas an die Roten Khmer aber Haupthindernis bleiben.

Genau das ist es.

Wie zuversichtlich sind Sie denn, daß China die Bewaffnung der Roten Khmer einstellt?

Sollten die Waffenlieferungen gegen die Interessen Chinasr sein, werden die Chinesen sie auch stoppen. Solange sie aber in ihrem Interesse sind, werden sie daran festhalten. Aber ich denke nicht, daß es die Chinesen darauf anlegen, Pol Pot in Phnom Penh zu sehen. Er ist lediglich eine Figur auf ihrem Schachbrett.

Von welcher Bedeutung ist die Normalisierung der Beziehungen zu China für Vietnam?

In einer Welt der Interdependenzen zwischen großen und kleinen Ländern brauchen wir einander. Gewiß besteht für die großen keine zwingende Notwendigkeit, aber langfristig werden auch China und Vietnam die Vorteile erkennen. Kommen wir wieder auf die Geschichte zurück. In den fünfziger und sechziger Jahren konnte sich keiner vorstellen, daß China und die USA einmal gute Beziehungen haben würden. Weder konnte man vorhersehen, daß die USA und die Sowjetunion einmal Einigkeit demonstrieren werden, noch, daß China und Vietnam Feinde sein würden. Die Welt hat sich verändert. Der Boden bewegt sich. Da kann keiner länger stillstehen.

Was sind also die Haupthindernisse ?

Die Chinesen sagen, zwischen unseren Ländern gebe es keine Schwierigkeiten mehr, die liegen im Kambodschaproblem. Wenn es aber um ein drittes Land geht, dann muß es sich um einen Vorwand handeln, und solange es nur ein Vorwand ist, dürfte dieser einer Annäherung nicht länger im Wege stehen.

Möglicherweise wird eine erweiterte Asean-Staaten -Gemeinschaft in Zukunft auch Indochina einschließen. Käme das Vietnam gelegen?

Wir haben oft betont, daß wir gerne Mitglied der südostasiatischen Staatengemeinschaft werden. Aber dort stößt das auf taube Ohren. Es ist nicht an uns, Bereitschaft zu zeigen.

Eine Kambodscha-Lösung würde ihnen womöglich Gehör verschaffen.

Ich denke, eine gute Kooperation könnte helfen. Aber solange man uns Vietnamesen feindlich gesonnen ist, traut man uns auch nicht zu, das Problem zu lösen. Vertrauen ist in jedem Fall eine notwendige Voraussetzung.

Ökonomische Beziehungen zwischen den Asean-Staaten und Vietnam wurden besonders in den vergangenen zwei Jahren verstärkt - ein Vorläufermodell?

Wir hoffen darauf, daß der Appetit mit dem Essen kommt.

Bedauert Vietnam sein Kambodscha-Engagement? Hätte sich die Regierung nicht anders entschieden, wenn die zehn Jahre internationaler Isolation abzusehen gewesen wären?

Nein, die Welt sieht das falsch. Wer die vietnamesische Südgrenze zu Kambodscha besucht, wird auf unserem Gebiet riesige Friedhöfe finden. Von 1975 bis 1978 ist Pol Pot mehrfach in vietnamesisches Territorium eingefallen. Während dieser vier Jahre war die Zahl der Opfer so hoch wie in dem neunjährigen Krieg gegen die Franzosen in Südvietnam. Wir haben immer wieder Verhandlungsvorschläge gemacht, aber sie ließen sich von ihrer Mission, Südvietnam einzunehmen, nicht abbringen. Auch wir haben ein Recht auf Selbstverteidung, genauso wie die Alliierten gegenüber Hitler.

Haben Sie geglaubt, die Internationale Gemeinschaft würde früher zur Vernunft kommen? Konnten Sie sich vorstellen, daß sie zehn Jahre in Kambodscha kämpfen würden?

Das Kambodscha-Problem ist nicht isoliert zu betrachten. Wir sollten es im Kontext der US-Strategie sehen, die die chinesische Karte spielt. Ich erinnere Sie an den Besuch Zbrenziewes in Peking im Mai 1978. Damals hat China seine Hilfe für Vietnam und Albanien eingestellt und gleichzeitig seine Experten abgezogen. Weil wir Verbündete der Sowjetunion waren, wie man uns erklärte. Dabei war Albanien gegen die Sowietunion. 1978 kam es den Chinesen also darauf an, von den USA Kapital und Technologie für die „vier Modernisierungen“ einzutauschen. Das Kambodscha-Problem muß also im Kontext der chinesische Strategie gegenüber den USA und vice versa betrachtet werden.

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