: Der neue Teamchef in Berlin-Mitte
■ Stadtbezirksbürgermeister Benno Hasse stellte gestern seine Crew vor / Ein Porträt
Mitte. Über mangelnde Publicity konnte sich Benno Hasse, Stadtbezirksbürgermeister von Berlin-Mitte (Demokratie Jetzt), nach seiner Wahl nicht beklagen. Vom Bündnis 90 ins Rennen geschickt und mit den Stimmen der PDS, der stärksten Fraktion im Bezirksparlament, gekürt, sorgte seine Amtseinführung vor sechs Wochen für einigen Wirbel (die taz berichtete). Sein Weddinger Kollege, Bezirksbürgermeister Spiller (SPD), witterte enttäuschende Abhängigkeiten, und CDU-Generalsekretär Landowsky schrieb ihm gar ins Stammbuch, seinen moralischen Anspruch verwirkt zu haben, weil er die PDS protegiere. Die harschen Anraunzer lassen ihn kalt sagt er -, schließlich sei es immerhin ein „demokratisches Abstimmungsergebnis“ gewesen. Und daß die PDS als Koalitionspartner nicht in Frage kommt, daran läßt er auch heute keinen Zweifel. Überdies halte er, Hasse, nichts von der Kommunistenhatz. Auch in seinem Amt suche er das Gespräch mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern, statt mit Kündigung zu drohen. Bis jetzt zumindest demonstriert er eitel Freude über sein Bezirkskabinett aus zwei Parteilosen, je einem Vertreter der Grünen, des Neuen Forums, von Demokratie Jetzt und einer Abgeordneten vom Unabhängigen Frauenverband. Sogar der von ihm vorgeschlagene Bezirkstadtrat für Jugend, Familie und Sport (CDU) habe trotz drohendem Parteiausschluß seine Kandidatur aufrechterhalten. Selbstbewußt und mit unverkennbar ostpreußischem Akzent präsentiert der 52jährige der Journaille seine Auffassung von Demokratie, ein Adenauer -Zitat auf den Lippen: Unter festen Mehrheiten leide der Parlamentarismus. Seine Mannschaft zumindest steht geschlossen hinter seiner Bezirkspolitik, die eher noch einer Auflistung von drängenden Problemen gleicht: die besetzten Häuser, die 8.000 Wohnungssuchenden, die Ansiedlung von Gewerbe - „wir werden hier auf eine angemessene Mischung achten“ -, das Scheunenviertel, das er mit holländischer und englischer Hilfe sanieren will. Einfluß nehmen will er auf die Gestaltung der Prachtstraßen Unter den Linden und Friedrichstraße, daß „hier nicht nur Karstadt am Drücker ist“. Stolz ist er auf seine Idee, nach dem Stockholmer Modell Berlins Zentrum vom Autoverkehr zu befreien, denn bald „ersticken wir hier im Qualm“.
Seit nunmehr sechs Wochen im Amt, hat er „manchmal immer noch das Gefühl, nicht hierher zu gehören“. Ein Eindruck, der sich legen wird, glaubt er, und ihm eh nicht ganz fremd ist. Schließlich sei er ja ein „Findling“ aus Rostock, bemerkt er mit einigem Sarkasmus. Elternlos aufgewachsen, verbrachte er die ersten 30 Jahre in „diversen Internaten und Wohnheimen“. Nach der Schule lernte er Schiffbauer, holte auf dem Abendgymnasium das Abitur nach und studierte, als hochbegabt eingestuft und gefördert, Mathematik und Informatik. Seine „gesellschaftliche Arbeit“ fand 1968 ein Ende: Als FDJ-Sekretär kritisierte er die Beteiligung der NVA am Prager Frühling und wurde aufgefordert, stillschweigend zurückzutreten. Ab und an packt den Familienvater, dessen Frau als Landärztin arbeitet, wieder die Lust, sich wissenschaftlich zu betätigen, obwohl er der Arbeit im Kabelwerk Oberspree, die ihn 18 Jahre lang „unterfordert“ habe, nicht nachtrauert.
Anforderung habe er jetzt genug, obwohl: „Macht kraft eines Amtes wollte ich eigentlich nie haben“, aber der Eigendynamik der politischen Entwicklung könne man sich eben nicht entziehen. Im August '89 stieß Hasse zu Demokratie Jetzt, saß als deren Vertreter am Berliner Runden Tisch, hob das Bürgerkomitee in seinem Wohnort Hessenwinkel am Müggelsee mit aus der Taufe und arbeitete im Komitee zur Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit. „Dann hieß es auch, konkrete Verantwortung zu übernehmen.“ Nun sitzt er in der Mitte, an seinem Arbeitsplatz mit Metropolengeräuschpegel am Alex.
nana
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen