piwik no script img

Fußball: Zwei-plus-sechs-Lösung

■ DDR-Klubs spielen schon 91/92 in der Bundesliga, die Nationalmannschaft wird zügig beerdigt

Berlin (taz) - Lange Zeit haben sich die Westler vom Deutschen Fußballbund (DFB) dagegen gesträubt, aber jetzt, wo die schnelle Vereinigung doch beschlossen wurde, war Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU/VfB) „sehr bewegt“.

Am Donnerstag abend nämlich hatten sich die beiden Präsidenten Hermann Neuberger und Hans-Georg Moldenhauer (DFV) in Frankfurt darauf geeinigt, daß gegen Neubergers ursprünglichen Wunsch bereits von der Saison 91/92 an einige Vereine aus der DDR in den Bundesligen mitspielen dürfen. Genau: Meister und Vizemeister der kommenden Spielrunde kicken dann bei Bayern München & Co im Oberhaus, das auf 20 Vereine aufgestockt wird, sechs Klubs (ermittelt in einer DDR-internen Ausscheidung) werden in eine zweigeteilte Zweitliga aus je zwölf Vereinen gesteckt.

Eine DDR-Nationalmannschaft indes wird es ab sofort nur noch spaßeshalber geben. Für die Qualifikationen zur Europameisterschaft in Schweden 1992 und das Olympiaturnier in Barcelona im gleichen Jahr wird sich die DDR abmelden, die ursprünglichen deutsch-deutschen Begegnungen zur EM werden in Freundschaftsspiele umgewidmet.

Was wiederum Günter Netzer sehr bewegt. Der Klinkenputzer des Werberiesen CWL hatte nach dem 9. November vielfältige Kontakte in die DDR geknüpft, unter anderem hätte CWL die Länderspiele vermarkten können - finanziell absolute Knüller durch ihre politische Einmaligkeit. Jetzt zeigt der Blonde „menschlich Verständnis für das Zusammengehen, geschäftlich ist das für mich eine Katastrophe“.

Dem DFB paßt die Sache genausowenig ins Konzept. Anstatt den Profibereich abzuspecken und damit finanziell zu sanieren werden die Bundesligen aufgebläht, dazu noch mit wirtschaftlichen Wackelkandidaten. Die DDR-Vereine wiederum sahen in der raschen Vereinigung die einzige Chance, dem Kollaps zu entrinnen; Sie hoffen auf Sponsoren und Zuschauer durch lukrativere Gegner.

Die Geschwindigkeit jedoch war auch schon das einzige Entgegenkommen des DFB, selbst wenn Moldenhauer „einen Konsens erarbeitet“ sieht. Drei Teams in die erste und elf in die zweite Liga wollte der DFV ursprünglich hieven, in der jetzt gefunden „Kompromißformel“ (Neuberger) werden lediglich die Vorschläge des DFB festgeschrieben.

Für Realisten wie den Trainer des FC Karl-Marx-Stadt, Hans Meyer, war „die Zwei-plus-sechs-Lösung vorauszusehen“. Meyer, der im vergangenen Sommer in ausreisenden Kickern noch „Verräter“ sah, hat die neuen Verhältnisse begriffen: „Wie überall auf der Welt setzt sich der Stärkere durch.“

Das werden auch die künftigen Profiklubs der DDR schnell zu spüren bekommen. Helmut Beyer, Präsident von Borussia Mönchengladbach und Mitglied des DFB-Ligaausschusses, verlangt für sie „das gleiche Lizenzierungsverfahren“ - eine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Klubs wie Dynamo Dresden, mit einem bundesligatauglichen Zuschauerschnitt und Westmark aus den Verkäufen der Stars Sammer und Kirsten, dürfte das noch am ehesten gelingen. Für die Zweitligisten jedoch, auch im Westen zumeist im Siechtum begriffen, gilt die Beyer -Drohung: „Sie müssen die Gewähr mitbringen, die Durststrecke eines Spieljahres durchzustehen.“

Uneingeschränkte Freude nur bei Deutschlands einziger Sporttageszeitung. Statt Grußbotschaften ans SED-Politbüro zu übermitteln, konnte das 'Sportecho‘ einen alten Herzenswunsch auf den Titel rücken: „Deutscher Fußball endlich vereint.“

Thömmes

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen