„Ein Linker bin ich nicht!“

■ Bezirksbürgermeister Manfred Dennert (SPD) in Prenzlauer Berg sieht seine Partei als die „traditionelle Kraft“ im Bezirk / Als Konservativer wünscht er sich mehr Profilierung der SPD

Prenzlauer Berg. Ein fester Händedruck, ein geschäftiges Lächeln, ein verlegenes Kratzen am sorgfältig gestutzten Vollbart: “... '39 geboren, hier am Prenzlauer Berg aufgewachsen, '45 bis '53 Grundschule, Oberschule, '57 Abitur - und wollte dann in Dresden studieren, Aerodynamik ...“ Manfred Dennert hält sich nicht gern bei Detailfragen auf. „Karg, kurz, knapp“ rattert er seinen Lebenslauf herunter. Viel Mühe verwendet er auf die unsäglich Vernachlässigung der Geometrie. Der ehemalige Mathematiklehrer und jetzige Bezirksbürgermeister der SPD in Prenzlauer Berg weiß alle entscheidenden Verordnungen aus dem Kopf. Vielleicht, so kommt er plötzlich ins Sinnieren - und seine kleine gedrungene Gestalt zieht sich wie peinlich berührt ein wenig zusammen -, habe das „Schulmeisterhafte“ ihn für den Job des Ratschefs prädestiniert. Seine Kollegen zumindest hätten es zu schätzen gewußt.

Pflicht, Verantwortung, Vernunft sind die liebsten Vokabeln des Sozialdemokraten. Und, natürlich, Tradition; immerhin war sein Vater SPD-Mitglied. Als dieser sich unbeugsam zeigte, verlor er 1947 seine Anstellung als Anstreicher im Gaswerk in der Dimitroffstraße. An des Vaters politischer Einstellung hat dies nichts geändert. Er blieb bei der SPD, die in Ost-Berlin - aufgrund des Viermächtestatus - noch zugelassen war. Der junge Dennert folgte seinem Vater und fühlte sich, fasziniert von Willy Brandt, zur SPD hingezogen. Aus dem Aerodynamikstudium - „der Schiffsbau hätte mich sehr interessiert“ - wurde nichts. Weil der Vater in West-Berlin arbeitete, verlor er seinen Studienplatz. Nach 1961 der „zwangsläufige Kompromiß“: Facharbeiterausbildung, Eintritt in den FDGB, über Umwege zurück zur Uni, Fachlehrer für Mathematik und Physik, Berufsschule Prenzlauer Berg; SED-Mitglied wurde er nicht. „Unmöglich, aber“, so bemerkt er, „ich war in einer priviligierten Position - Mathematiklehrer waren Mangelware.“ Da konnte es sich der junge Lehrer 1968 auch leisten, den Prager Frühling in seinem Unterricht unkommentiert zu lassen.

Politisch auf Eis gelegt - „wir DDRianer haben uns doch alle irgendwie prostituiert“ -, kann Manfred Dennert heute problemlos an seine Tradition wieder anknüpfen. Gern definiert er sich und seine 280 Parteimitglieder in Prenzlauer Berg als „Politikabenteurer“, die SPD als die „traditionelle Kraft“ im Bezirk mit der ärmelaufkrempelnden Devise: Eine Partei von null auf hundert. Dies habe man, wenn auch unter Geburtswehen und nicht ohne den Seitenblick auf die große Schwester im Westen, in Prenzlauer Berg bewiesen - „ein bißchen mehr Mitglieder könnten wir allerdings schon haben“, meint er nicht ohne Selbstzweifel.

So die Buchstaben SPD programmatisch zu füllen sind, fallen dem Konservativen - „ich bin kein Linker!“ - vor allem die Wörter „sozial“ und „demokratisch“ ein. Sozial müsse seine Bezirkspolitik sein - im Sinne von Mietpreisbindung, Stadtsanierung, Erhaltung der Kindertagestätten - und demokratisch die Struktur seines Bezirksamtes - im Sinne der Austrocknung des ehemaligen Parteisumpfes und des Zauberwortes „Effizienz“, gemünzt gegen den alten Schlendrian. Alle leitenden Positionen sollen neu ausgeschrieben werden, aber natürlich werde man nicht alle Personen aus ihren Ämtern kippen. „Bei uns zählt Sachverstand, schließlich will ich ja das Amt nicht lahmlegen.“ Das solchermaßen edle wie vernünftige Ansinnen könnte wohl auch jeder CDU-Abgeordnete unterschreiben. „Wir sind uns nicht so uneinig, wie ihr im Westen.“

Dennert hätte nicht ungern die CDU als seinen Koalitionspartner im Bezirk gesehen. Hemdsärmelig und in seinem Ordnungssinn berührt, kritisiert er den Politikstil seines Partners Bündnis 90 als „undiszipliniert“. Der Grund für die genervte Reaktion liegt nicht allzulang zurück, als es um die Besetzung des - in Prenzlauer Berg sensiblen Posten des Stadtrates für Bauen und Wohnen ging. Das Bündnis 90 verknüpfte mit diesem Posten die Koalitionsfrage. Die SPD brachte ihren Kandidaten, der nicht gerade durch Sachverstand glänzte, in den Koalitionsverhandlungen nicht durch. „Schließlich zählt ja die Kompetenz“, beschließt Dennert das für ihn leidige Thema und: „Wir als SPD müssen uns einfach noch viel stärker profilieren, das Koalitionsgemurkse in der Volkskammer kostet uns Glaubwürdigkeit.“

nana